Stellt euch vor: Ein Ferienhäuschen in Norditalien. Eine winzige Küche mit Induktionsherd, Ofen und Toaster. Aber weit und breit keine Caffettiera, im deutschsprachigen Raum auch bekannt als Espressokocher, Moka, Mokakanne, Espressokanne oder Kaffeekocher. Erschütternd, oder? Stattdessen grinste eine billige Kapselmaschine vom Küchenregal herab. George Clooney in Ehren, aber Nespresso? Im Land des Ristrettos? Impossibile! Nach dem ersten Schrecken folgte umgehend die Erleichterung. Gottseidank hatte ich zu Hause noch meine Bialetti samt Zichorienkaffe ins Seitenfach der Reisetasche gestopft. Puh. Zwei Atemzüge später zerplatzte die rosarote Wohlfühlblase. Das später anreisende Schwesterherz, entre nous auch bekannt als Ohne-Kaffee-Wird-Das-Fräulein-Niemals-Wach, würde beim Frühstück vehement auf ihre eigene Kanne mit flüssigem Koffein bestehen. Adieu Friede, Freude, Eierkuchen. Um den morgendlichen Geschwisterkrieg im Keim zu ersticken, bin ich schnell ins nahe Centro dell'usato geflitzt, wo gebrauchte Mokakannen in (fast) allen erdenklichen Ausführungen angeboten werden. Die Vev Vigano Carioca Oro 6 Tazze hatte die richtige Grösse und schien vom Vorbesitzer pfleglich behandelt worden zu sein. Bingo! Das Regenwetter am Tag nach unserer Ankunft brachte mich schliesslich auf die Idee, während der Reinigung einige Fotos zu knipsen, um sie später in einem Tutorial zu präsentieren. Et voilà, Signore e Signori, herzlich willkommen zur grossen Putzsause.
Bevor ihr nun Flohmärkte und Brockis nach secondhand Caffettieren abgrast, beachtet bitte folgende Warnung: Meine Anleitung ist ausschliesslich für Espressokocher aus Edelstahl mit einem intakten Sicherheitsventil geeignet. Im Zweifel Tante Google befragen, bei Youtube Videos zu dem Thema angucken, ein neues Sicherheitsventil montieren oder sich gleich den Aufwand sparen und eine Moka im Fachhandel besorgen.
Mein Ziel war die Reinigung des Kaffeekochers mit einfachsten Mitteln, die entweder im Feriendomizil bzw. zu Hause vorhanden sind oder problemlos im Supermarkt für wenig Geld besorgt werden können. Ihr benötigt folgende Grundausstattung: Weissweinessig oder Essigessenz, einen Schwamm mit Schrubbelseite, Holzspiesschen oder Zahnstocher, Haushaltspapier und Abwaschmittel. Optional sind Ersatzdichtung und -sieb, Metallreiniger oder Politur, eine Nadel aus dem Reisenähset, eine Rundkopf- und eine Nagelbürste.
Wir beginnen mit dem Auseinanderschrauben der Caffettiera. Alle Teile abbrausen und in eine Porzellanschüssel oder einen Edelstahltopf legen. Warmes Wasser und Essig im Verhältnis 1:1 vermischen, alles damit bedecken und ein paar Stunden darin baden. Bei stärkeren Verschmutzungen über Nacht einweichen.
Nach dem Einweichen Sieb und Dichtung gründlich mit Schwamm/Nagelbürste und Abwaschmittel sauber schrubben. Sieblöcher mit Zahnstocher oder Nähnadel von hartnäckigen Pulverresten befreien. Den Gummiring ein paar Minuten in Essigwasser auskochen, sofern er nicht beschädigt, bröckelig oder verschimmelt ist.
Bei brüchigen, unappetitlichen oder müffelnden Dichtungsringen führt allerdings kein Weg an einem Ersatzteilset vorbei. Damit das Dichtungsgrössenwirrwarr keine langwierige und kostenintensive Ersatzteilsuche verursacht, beherzigt bitte folgenden Tipp: Vor dem Kauf des Espressokochers unbedingt den Zustand der Dichtung, des Siebs und des Trichters überprüfen. Im Idealfall ist alles tiptop. Oft sind Originaldichtungen auch als Zugabe in der Kanne vorhanden oder liegen in der - in italienischen Brockis obligatorischen - Zuberhörgrabbelschale.
Ansonsten: Kleinteile ausmessen und online mit den Ersatzteilgrössen von Bialetti vergleichen. Folgend zwei Links zu den Bialetti Dichtungs- und Siebgrössen:
Edelstahl und
Aluminium. Bitteschön, gern geschehen. In Italien hängen die Standardersatzteile von Bialetti in grösseren Supermärkten beim Kochzubehör, No-Name-Produkte und Eigenmarken sind oft etwas günstiger. In der Schweiz sind Ersatzsets zum Beispiel im Globus, Coop City oder Migros Service Onlineshop erhältlich. Speziellere Dichtungen führen manchmal auch gut sortierte Haushaltswarengeschäfte und Marktstände im Sortiment. Eine wahre Fundgrube im Internet ist ebay.it (Suchbegriff: Guarnizione Caffettiera + Markenname). Ich hatte pures Anfängerglück mit der Vev Vigano, die gängige 6-Tassen-Alu-Dichtung von Bialetti passte. Zwar ist sie ein My kleiner als die Originaldichtung, funktioniert aber einwandfrei. Eine Woche später hatte ich mich auf dem Markt in Luino vergeblich nach einer Dichtung für eine Alfa Tracanzan 10 Tazze umgesehen und zufällig ein Vev-Set in passender Grösse gefunden. Vier Gummidichtungen ohne Sieb kosteten beim netten Händler 6 Euro, im Internet sind sie meist kostspieliger.
Zurück zur Reinigung. Glückspilze können bei ihren Modellen den Siebeinsatz einfach aus dem Trichter herauslösen. Alle anderen sind zum zeitfressenden Herumfummeln verdammt. Zuerst mit einem Holzstäbchen die Pulverreste lockern. Dazu den Holzspiess der Länge nach spalten (einfach abbrechen), befeuchten (macht ihn biegsamer) und leicht krümmen, damit er möglichst bis zur Seitenwand reicht. Das Sieb von unten her vorsichtig kreisförmig mit dem Stäbchen reinigen. Diese Methode ist zwar sehr effektiv, aber wenn das Hölzchen abbricht und ein Stück unter dem Sieb hängen bleibt, müsst ihr mit einer Nadel ziemlich geschickt sein, um den Splitter wieder herauszufischen. Ich spreche aus leidvoller Erfahrung. Profitipp: Biegsame
Reinigungsbürstchen.
Falls ihr auf Nummer sicher gehen wollt, spart euch die Stäbchennummer von unten und reinigt den Trichter mit einer Zahnstocherspitze oder einer Nähnadel von oben her.
Ob mit oder ohne Stäbchenvorreinigung: Einen breiten Streifen Haushaltspapier satt zusammenrollen und mit konstanter Drehbewegung durch die Öffnung Richtung Siebunterseite hochschieben.
Erfolg ohne Nebenwirkungen garantiert.
Gelockerte Pulverreste gründlich rausspülen: Sieb direkt an den Wasserhahn halten, die Leitung voll aufdrehen und das Teil unter dem Wasserstrahl langsam rotieren lassen, bis das abfliessende Wasser klar bleibt.
Trotz aller Bemühungen, inklusive Nachbearbeitung mit einem Holzstäbchen, blieben ein paar schwarze Pünktchen am Rand übrig. Erst das spätere Durchkochen mit Essigwasser sorgte für strahlende Sauberkeit.
Wenden wir uns nun dem Wasserbehälter zu. Eingebrannte Kaffeereste und Kalk. Njamm....
Nach dem Einweichen sollte sich beides mit wenig - oder etwas mehr - Aufwand gut entfernen lassen. Je nach Verschmutzungsgrad, erneut 1-2 Stunden im Essigwasser einweichen und nochmals schrubben.
Für schlecht erreichbare Vertiefungen, Ränder u.ä., ein Eckchen Schrubbelschwammseite mit einer Schere abschneiden, auf ein Stäbchen spiessen, energisch einsetzen....
... und Minuten später glänzte das Innere. Wie beim Trichtersieb, liessen sich nicht alle Kaffeereste manuell beseitigen. In der Regel verschwinden sie aber beim abschliessenden Durchlauf mit Essigwasser. Optional können noch die Verfärbungen auf der Aussenseite entfernt werden. Vom hygienischen Standpunkt her unnötig, aber die Optik profitiert natürlich ungemein. Die Anleitung fürs Polieren findet ihr weiter unten.
Nun zum oberen Teil. Wenn das Steigungsrohr verstopft ist, fliesst kein Kaffee durch. So einfach ist das. Blöd nur, dass sich dann auch der Druck im Innern erhöht und das könnte, beispielsweise zusammen mit einem verklebten Sicherheitsventil, im dümmsten Fall zu einer Explosion führen. Ich empfehle euch, auch nach der Grundreinigung, regelmässig das Innere des Rohres mit Hilfe der Taschenlampe des Smartphones zu begutachten. Wenn Kaffeepulverreste sichtbar sind, sanft mit einem Holzstäbchen lösen oder, falls vorhanden, ein schmales Universalbürstchen zum Wegschrubben nutzen.
Mit einem eng zusammengerollten Küchenpapierblatt nachputzen.
Gegebenenfalls mehrmals wiederholen, bis das Papierröllchen sauber bleibt.
Die zwei Öffnungen des Steigungsrohrs und die Kappe mit einem Zahnstocher von unten her vorsichtig von eventuell anhaftenden Pulverresten befreien. Innen war der Kannenaufsatz schon recht sauber, es reichte ein kurzer Schwammeinsatz und ein paar Umdrehungen mit dem Stäbchenschwamm in der Bodenrille.
Eckchen, Vertiefungen, Rillen und ähnliches mit einem Holzstäbchen sauber kratzen.
Deckelknopf und Griff abschrauben, mit Schwamm und Abwaschmittel bearbeiten. Falls die Teile angenietet sind, einfach rundherum mit Stäbchen und Minischwamm säubern.
Blendend sauber und fast fertig. Yeah!
Nun die Kanne noch mindestens einmal mit Essigwasser durchkochen. So werden auch schlecht erreichbare Stellen mit Druck entkalkt, das Steigungsrohr durchgespült und Putzmittelreste entfernt. Zuerst kaltes Wasser bis etwa drei Zentimeter unter das Sicherheitsventil eingiessen. Mit Essig bis unter das Ventil auffüllen. Trichter einsetzen, Sieb und Dichtungsring montieren. Oberteil aufschrauben, Kanne auf den Herd stellen und bei mittlerer Hitze das Essigwasser komplett durchsprudeln lassen. Eventuell befinden sich im Wasser Dreckpartikelchen. Ist dies der Fall, Kanneninhalt wegschütten und die Prozedur mit Essigwasser so oft wiederholen, bis die durchlaufende Flüssigkeit rückstandsfrei ist.
Die Caffettiera neben dem Herd abkühlen lassen. Essigwasser ausgiessen, den Kaffekocher zerlegen. Ungeduldige Zeitgenossen schütten das Essigwasser gleich ab und öffnen die Kanne mit einem Silikontopflappen. So oder so: Alle Teile zum Schluss nochmal mit Abwaschmittel reinigen und gründlich unter fliessendem Wasser abbrausen. Nun ist die Caffettiera einsatzbereit. Profis empfehlen, neue und grundgereinigte Exemplare für den richtigen Geschmack mehrmals mit Kaffee "einzukochen". Meiner Meinung nach ist dieses Ritual bei einer neuen Bialetti aus Aluminium unerlässlich, aber kein unumstössliches Gebot für Caffettieren aus Edelstahl. Ich habe mich lieber abschliessend noch der Aussenseite gewidmet.
Metallreiniger ist erfahrungsgemäss eher selten im Putzschrank eines Ferienhauses zu finden. Wer Zeit, Lust und entsprechende Sprachkenntnisse hat, besorgt sich für ein paar Euro ein Fläschchen oder eine Tube im Haushaltswarengeschäft. Um Flohmarktfunde, die nach Bakelit aussehen, auf Echtheit zu überprüfen, hatte ich eine kleine Tube Simichrom nach Italien mitgeschleppt. Andere Frauen verreisen mit Nagellackfläschchen, ich mit Metallpolitur im Necessaire... Einen erbsengrossen Tupfen auf der zu behandelnden Fläche platzieren. Mit der weichen Schwammseite oder Küchenpapier sanft, aber ausdauernd einreiben.
Mit einem sauberen Baumwolltuch nachpolieren. Eventuell sind mehrere Durchgänge nötig.
Tadaaaa! Der Extraaufwand hat sich gelohnt.
Fazit: Eine neue Bialetti aus Edelstahl hätte mein Portemonnaie um circa 45 Euro erleichtert. Die secondhand Vev Vigano kostete 8,90, das Bialetti Dichtungsset 2,60, die reine Arbeitszeit betrug etwa eine Stunde. Selbst wenn ich die Holzstäbchen, den Schwamm, den Essig und das Haushaltspapier hätte extra besorgen müssen, wäre der Gesamtpreis nicht über 15 Euro geklettert. Bei einer kleineren oder älteren Caffettiera und einem No-Name-Set könnten die Kosten sogar unter 10 Euro liegen. Die Kanne landete vor der Abreise natürlich im Koffer und wird uns, bei sorgfältiger Behandlung und gelegentlicher Erneuerung des Dichtungsringes, wahrscheinlich noch viele Jahre begleiten. Ökologisch und günstig, was will man mehr?
Noch ein Wort zu Alukannen: Sie sind neu - und oftmals auch gebraucht - etwa halb so teuer wie die Inox-Versionen. Aber nach zehn Jahren mit einer Bialetti Dama und fünf Monaten mit einer Bialetti Musa steht für mich fest: Edelstahl ist das bessere Aluminium, u.a. auch wegen der Reinigungsmöglichkeiten und der Optik. Mir egal, was die Kaffeepuristen bezüglich Wärmeleitung, Geschmack und überhaupt und sowieso behaupten. Püh.
Nachtrag: Seit dem improvisierten Fotoshooting für das Tutorial sind weitere Edelstahlkocher aus zweiter Hand, u.a. eine Alfa aus den 1970ern, bei uns eingezogen und wurden erfolgreich nach meiner Methode gereinigt. Die dabei gesammelten Erfahrungen sind allesamt in die Anleitung eingeflossen. Speziell erwähnen möchte ich noch die Alessi 9090. Eigentlich - wieder einmal eigentlich, eigentlich wie immer - war ich in dem Tessiner Brocki auf der Suche nach etwas ganz anderem. In einer dunkeln Ecke stand die Alessi und flehte mich an: Nimm mich mit, niemand will mich in diesem Zustand. Sie sah von aussen ziemlich angekokelt aus, im Innern waren Boden und Seitenwände rabenschwarz. Mehrmaliges Einweichen und Schrubben blieben erfolglos. Beim nächsten Ausflug in den nahen Supermercato hatte ich die Qual der Wahl zwischen einem chemischen Ofenreiniger und Soda in Lebensmittelqualität. Ich entschied mich für die ökologische Variante, die in Italien sogar in Discountern - oft bei den Getränken - im Regal steht. Kostenpunkt: Um die 65 Cent pro Packung mit 500 Gramm Inhalt. Wieder zurück im Ferienhäuschen, füllte ich den Behälter etwa zur Hälfte mit kaltem Wasser, rührte zwei bombierte Esslöffel Sodapulver ein und liess die Mischung fünf Minuten kochen. Achtung: Schäumt! Zur Seite stellen und sobald das Wasser auf Handwärme abgekühlt ist, das Eingebrannte mit Bürste oder Schwamm wegschrubben. Im Hardcorefall: Sodalösung aufkochen, Behälter zur Seite ziehen und vorsichtig etwa vier Esslöffel Essig zugiessen. Achtung: Schäumt wie wild! Abkühlen lassen und mit einem Schrubbelschwamm entfernen, was entfernt werden kann. Nach Bedarf mehrmals wiederholen. Bitte nur im äussersten Notfall zu Ofenreiniger und Co. greifen. Falls es sich nicht vermeiden lässt: Nach dem Einsatz der Chemiekeule die Caffettiera unbedingt mehrmals mit Soda-/Essigwasser durchkochen, um alle Reinigerrückstände zu entfernen. Inklusive einer neuen Dichtung aus dem Globus, kostete der Luxuskocher so nur 17.50 statt 245 Franken. Damit keine Missverständnisse entstehen: Der Geldwert der Arbeitszeit sollte bei einem Hobbyprojekt nie miteinberechnet werden, auch nicht zum Hilfspraktikantentarif. Wer, wie ich, Freude daran hat, gebrauchte/alte/antike Sachen wieder in einen sauberen, benutzbaren Zustand zu versetzen, weiss was ich meine.
P.S. Cafet...Was? Hä? Wie funktioniert das Ding? WTH ist ein Sicherheitsventil? Wo soll der Kaffee rein? Was labert die Tante da? Falls ihr euch beim Lesen des Tutorials eine oder mehrere dieser Fragen gestellt habt, dann macht bitte einen grossen Bogen um gebrauchte Caffettieren. Auch um diejenigen, die in einer Ferienwohnung zur Verfügung stehen, denn Mokakannen können bei völlig falscher Handhabung brandgefährlich sein.
Das Kleingedruckte: Ich übernehme keinerlei Haftung für Schäden irgendwelcher Art, die im Zusammenhang mit diesem Tutorial entstehen könnten oder entstanden sind. Und ausserdem weise ich jede Schuld von mir, falls ihr seit der Einleitung
Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett in Endlosschleife vor euch her summt. Pech gehabt. 😎
Ohne Kaffee wird das Fräulein niemals wach, niemals wach, niemals wach.
Ohne Kaffee wird das Fräulein niemals wach und verbringt den ganzen Tag im Bett.
Ich möchte ausgehn, doch das Fräulein will schlafen.
Ich möchte Museen sehn, doch das Fräulein kann ohne Koffein nicht aufstehn...*träller*