Governance: Wer entscheidet bei Wikipedia?
Wer hat das Sagen bei freien Projekten? Vereinte Nationen von Wikipedia: Hinter der größten Wissenssammlung der Menschheitsgeschichte steht ein nicht kommerzielles Projekt mit hochkomplexen Strukturen.
Erinnert sich jemand noch an den Brockhaus? 2.490 Euro kostete die letzte gedruckte Ausgabe, die in den Jahren 2005 und 2006 erschien. Die Wissenssammlung für Wohlhabende bestand aus 30 Bänden, wog insgesamt 70 Kilo und war nie wirklich aktuell. Eine kleine Redaktion entschied, was relevant war und was nicht. Wikipedia hat den Zugang zum Weltwissen revolutioniert. Die Inhalte sind kostenlos, umfassender und aktueller. Und vor allem entstehen sie demokratisch. Alle können mitschreiben.
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Das freie Projekt hat geschafft, was sonst nur Big Tech gelingt: Wikipedia hat ein Quasimonopol und lässt auf dem Markt der Online-Enzyklopädien nur in Nischen Platz für Wettbewerber. Es zählt nicht, was im Spiegel, auf Zeit Online oder in der New York Times steht – erst auf Wikipedia werden Informationen dauerhaft Teil des Wissensschatzes der Menschheit.
Wie verantwortungsvoll geht das Inhalteprojekt mit dem immensen kulturellen Einfluss um? Wie kann ein stimmiges Ganzes entstehen, wenn alle mitschreiben können?
Sichter, Admins und Bürokraten
Wie bei vielen freien Projekten geschieht die eigentliche Arbeit in der Community. Die allerdings besteht aus mehr als 300 Subgemeinschaften für jede einzelne Sprachausgabe. Die deutschsprachige Wikipedia kommt auf knapp 2,9 Millionen Artikel. Etwa 6.000 regelmäßige Autorinnen und Autoren aus dem DACH-Raum steuern monatlich fünf oder mehr Beiträge bei. Eine mehrstufige Hierarchie mit verschiedenen Rollen strukturiert die Zusammenarbeit.
Auf den ersten Blick können alle, die wollen, mitarbeiten. Allerdings müssen Edits von Nutzerinnen und Nutzern ohne Profil sowie von Neulingen erst von Community-Mitgliedern mit einem höheren Status freigeschaltet werden. Ab 150 erfolgreichen eigenen Bearbeitungen ist man sogenannter Passiver Sichter und eigene Änderungen werden sofort übernommen. Als Aktiver Sichter (ab 300 Edits) kann man Bearbeitungen anderer freischalten oder verwerfen.
Der Zugang zu höheren Hierarchiestufen läuft über Wahlen. Bereits ab 200 Edits – davon mindestens 50 in den letzten zwölf Monaten – hat man aktives und passives Wahlrecht.
Administratoren können User sperren, Artikel löschen und bei Edit Wars finale Entscheidungen treffen. Für diese Position muss man kandidieren und in zwei Wochen mindestens 50 Pro-Stimmen sowie insgesamt doppelt so viele Pro- wie Gegenstimmen auf sich vereinen. Der Status ist nicht zeitlich begrenzt. Die Community kann allerdings die Vertrauensfrage stellen. Wenn 25 User innerhalb eines Monats oder 50 innerhalb eines halben Jahres das fordern, muss man erneut kandidieren.
Bürokraten können Admins nach erfolgreicher Kandidatur ernennen und unter anderem Bots zulassen, die beispielsweise Tippfehler korrigieren. Für diesen Status benötigt man bei einer Kandidatur mindestens 50 Pro-Stimmen. 70 Prozent aller insgesamt abgegebenen Stimmen müssen positiv sein. Spätestens nach zwei Jahren muss man sich einer Wiederwahl stellen.
Lassen sich Konflikte zwischen Usern nicht lösen, kann ein gewähltes Schiedsgericht angerufen werden.
In der deutschsprachigen Community gibt es mit Stand Februar 2024 etwa 45.000 Passive und 22.000 Aktive Sichter, 175 Administratoren und 6 Bürokraten.
Das sind die wichtigsten Stufen. Daneben gibt es noch andere Rollen mit technischen oder projektübergreifenden Rechten. Checkuser können IP-Adressen einsehen, um Sockenpuppen-Accounts zu enttarnen, bei denen eine Person unter mehreren Namen schreibt. Stewards – eine globale, Wiki-übergreifende Rolle – können unter anderem Accounts und IP-Adressen sperren.
Rolle | Anzahl |
---|---|
Passive Sichter | 44844 |
Aktive Sichter | 21822 |
Administratoren | 175 |
Bürokraten | 6 |
Checkuser-Berechtigte | 5 |
Schiedsgericht-Mitglieder | 9 |
Stewards (global) | 28 |
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Großartiger Sarkasmus.
Finde ich auch, danke für den schönen Artikel.
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