Posts mit dem Label Chronik der Kürbiskriege werden angezeigt. Alle Posts anzeigen
Posts mit dem Label Chronik der Kürbiskriege werden angezeigt. Alle Posts anzeigen

26 Juni 2014

Chronik der Kürbiskriege! Große Städte (11)

Fatale Sandale lenkte das Gespräch lieber wieder zurück auf die Panik in der Großen Stadt, die Rauchender Haufen besucht hatte. Tatsächlich kamen nur ganz wenige Tiger auf ganz viele Indianer. Aber dennoch hatte die Angst vor Tigern die Stadt an den Rand des Untergangs gebracht. Er arbeitete weiter an einer Erklärung:

"Die Indianer dort fürchten sich. Und je öfter sie darüber reden, umso wirklicher erscheint ihnen ein ganz ganz unwahrscheinliches Ereignis. Ich kann mir aber vorstellen, dass noch einiges dazu kam. Kann sein, irgendein Medizinmann-Kollege übertreibt die Gefahr, um seine Medizin loszuschlagen: Zaubertrank, der gegen Tiger hilft."

"Du bist boshaft, Fatale Sandale."

"Nicht im Geringsten. Keiner kann so eine Behauptung kontrollieren. Es sind ja nur zwei Tiger, da müsste man überhaupt erstmal einen treffen. Und wenn: Überlebt derjenige - dann hat der Zaubertrank geholfen. Überlebt er nicht - kann er auch nicht davon berichten. Oder hatte nicht genug Zaubertrank."

"Das ist doch ziemlich übertrieben, oder?"

"Gar nicht! Ich habe solche Quacksalber selbst gesehen! Oder diese berufsmäßigen Geschichtenerzähler schmücken die Bedrohung durch die Tiger maßlos aus, damit ihnen mehr Leute zuhören. Wer könnte so eine Erzählung nachprüfen?"

"Genau niemand."

"Oder jemand will Häuptling werden anstelle des Häuptlings..."

"Warum sollte jemand Häuptling werden wollen?"

"Sei doch nicht so begriffsstutzig, Roo-Arr! Weil er es will! Da gibt es unzählige Gründe."

"Das ist ein verdammt anstrengendes Amt! Was für Gründe kann es dafür geben? Nenn mir nur einen!"

"Weil er sich besser fühlt - weil er damit angeben kann - weil er sich einen großspurigen Namen zulegen darf - weil er bei der Arbeit ein buntes Kostüm tragen darf - weil ihm die Wachkrieger gehorchen müssen - weil er in einem protzigen Haus arbeiten kann - weil er wehrlose Gefangene umbringen lassen darf ... und das ist nur ein Grund."

"Das war mehr als einer!"

"Ja. Aber damit sich die Indianer unsicher fühlen, verbreitet er Schauergeschichten über Tiger. Und dann verspricht er, dass unter seiner Führung alles viel sicherer wäre. Auch wenn da fast gar keine Tiger sind. Oder sogar: Gerade weil - sehr viel sicherer kann es doch gar nicht werden."

"Aber ein kritischer Indianer glaubt doch nicht alles, was man ihm erzählt."

"Zur Not lässt der Anwärter auf das Häuptlingsamt eben selbst ein paar Leute zerfleischen und schiebt die Schuld auf die Tiger. Und wenn er damit wieder aufhört - zack! - schon ist es sicherer!"

"Du traust den Leuten wirklich viel schlechtes zu, Fatale Sandale."

"Ich habe meine Gründe. Ich habe einige getroffen, die zu jeder niederen Bosheit bereit wären, um Häuptling zu werden."

"Tja. In diesem Fall ist das anscheinend schiefgegangen."

Jeder der beiden war froh, dass er nicht in derart unberechenbarer Gesellschaft leben musste. In ihren kürbistragenden Gebieten, in den Kreisen ihres Pueblos und auch der Nachbarn in den Zelten, bewegte sich das Leben im Einklang mit der Natur im überschaubaren Rahmen. Nur hin und wieder wurde es durch ein überraschendes Ereignis unterbrochen. Zum Beispiel durch die Ankunft eines Tigers.

 

ENDE

25 Juni 2014

Chronik der Kürbiskriege! Große Städte (10)

Fatale Sandale stand in dem Ruf, über wirklich alles gewissenhaft nachzudenken, ja, alles wissenschaftlich zu betrachten. Roo-Arr gefiel das. Dabei war es eine seiner unheimlicheren Eigenschaften, fanden die meisten der übrigen Dorfbewohner - so genau wollten sie viele Dinge gar nicht wissen.

"Aber Roo-Arr, ist das nicht seltsam? Wenn das so riesige Städte sind, wie Rauchender Haufen sagt, dann fällt das doch gar nicht ins Gewicht?"

"Was fällt nicht ins Gewicht?"

"Also, wenn nur alle paar Tage ein einzelner Mensch zu Tigerfutter wird, dann ist das doch eigentlich ein ganz seltenes Ereignis."

"Aber ja doch, das ist ja das erstaunliche! Wahrscheinlich fällt viel öfter einer beim Sandfegen vom Hausdach oder findet bei einer Prügelei beim Powwow den Tod, als dass ihn die Tiger erwischen..."

"... oder wird von einer Schlange gebissen..."

"... oder isst etwas giftiges und stirbt daran. Ich glaube sogar, in diesen überfüllten Städten kommt es häufiger vor, dass zwei Leute beim Gehen auf einem Weg zusammenstoßen und einer stirbt daran, als dass jemand die Tiger trifft. Aber so ist das nun einmal: Die Leute füchten sich vor zwei einzelnen Tigern. Weil sie sich fürchten wollen!"

"Meinst du, Roo-Arr?"

"Naja, so gruselige Geistergeschichten hört doch jeder gern."

"Aber danach gehen unsere Indianer wieder zur Arbeit. Und dort verkriechen sie sich."

"Das ist wahr."

"Vielleicht wirkt so eine Sache viel bedrohlicher, weil es eine Sensation ist, weil die Leute dann ständig drüber sprechen. Keiner hat je einen Tiger gesehen, oder war dabei, wie er einen Menschen zu den Ahnen schickt."

"Sage mal, Fatale Sandale, glaubst du, ein Tiger kann das auch?"

"Was?"

"Im Auftrag der Ahnen handeln?"

"Keine Ahnung. Woher soll ich das wissen?"

"Frag mal Lautlose Sohle. "

"Wie soll ich ihn denn fragen?"

"Gib ihm etwas von dem Traumkaktus, vielleicht redet er im Schlaf, anstatt nur zu schnarchen."

"Du machst dich lustig über mich, Roo-Arr! Das ist nicht nett!"

"Vielleicht wärmt er ja dein Bett im Auftrag der Ahnen."

"Du willst sicher nicht hören, dass das für mich einen Sinn ergibt, oder?"

22 Juni 2014

Chronik der Kürbiskriege! Große Städte (9)

Roo-Arr wurde erst beim Wiedererzählen das Ausmaß der ganzen Entwicklung bewusst. Dabei war sie für ihn genauso folgerichtig wie für Fatale Sandale:

“Die Wachkrieger des Königs nahmen den Stadtbewohnern immer öfter das verbliebene Essen weg, um den König und sich selbst zu ernähren. Das machte sie verhasst. Irgendwann wurden einige Wachkrieger von den gewöhnlichen Indianern niedergeschlagen und umgebracht.”

“Ah, sehr mutig!”

“Oder verzweifelt. Die normalen Leute müssen gemerkt haben, dass sie an Zahl den Kriegern weit überlegen waren. Sie massakrierten noch ein paar. Die Wachkrieger massakrierten dafür ein paar normale Leute, aber sie konnten niemanden mehr beherrschen. Schließlich verschwanden sie aus der Stadt und nahmen ihren König Adlerklaue mit.”

“Und als sie erst einmal draußen waren, war es sehr schwer, die Stadt wieder einzunehmen, nicht wahr?”

"Das war der Zeitpunkt, an dem Rauchender Haufen dort wieder weggegangen ist. Er sagt, die Stadt wurde immer voller mit verzweifelten Leuten, die überhaupt nichts zu tun hatten. Es gab kaum noch Nahrung. Aber jede Menge brutaler Überfälle. Für sein Gold konnte er kaum etwas eintauschen, es war plötzlich gar nichts mehr wert. Jeder, der noch etwas hatte, hat für ein wenig Essen immer mehr Gold geboten. Da fiel ihm auf, dass das nicht seinem Ziel entsprach."

"Auf dem Rückweg musste er doch auch durch den Wald mit den Tigern?"

"Es sind ja nur zwei. Er hat keinen getroffen. Er hat aber auch nicht sehr viel Respekt vor dem Berglöwen."

"Die anderen haben so viel Angst vor gerade einmal zwei Tigern, dass ihre ganze Gemeinschaft zusammenbricht. Ist er so mutig?"

"Ich würde es nicht Mut nennen. Er sagt: Wenn die Ahnen ihn sehen wollen, dann lassen sie es ihn schon wissen."

"Was ist jetzt aus der Stadt geworden?"

"Wusste er nicht. Rauchender Haufen ist auf dem Heimweg noch in eine andere Stadt gegangen. Dort hat er den Rest von seinem Gold gegen ein paar glitzernde Steine, ein paar kleine Figürchen und ein Stück ganz fein gewebten Stoff eingetauscht."

"Mehr nicht?"

"Der Stoff ist sehr interessant, der ist so viel feiner gewebt als alles was wir hier haben. Das ist wirklich große Kunst! Die Figürchen sind magisch, das hätte ich nicht gedacht. Die glitzernden Steine sind klein und unerhört hart. Man kann damit jeden anderen Stein markieren, zeichnen und einritzen. Rauchender Haufen hat eigentlich sehr gut getauscht. Nur bei dem letzten Tausch hat er die Räuber auf die Spur zu unseren Jagdgründen gebracht. Die wollten dringend wissen, woher er das Gold hat. Damit begann sein großer Ärger."

21 Juni 2014

Chronik der Kürbiskriege! Große Städte (8)

Einige Tage später, auf dem Rückweg von der Zeremonie, schaute der diensthabende Medizinmann diesmal bei Roo-Arr vorbei. Um Vollzug zu melden. Und um sein Gewissen damit zu entlasten.

"Hallo Roo-Arr, ich habe alles so gemacht, wie wir besprochen haben."

"Gut."

"Ich wollte nur, dass du das weißt."

"Danke, Fatale Sandale, jetzt weiß ich es. Mir ist noch etwas eingefallen, die Geschichte mit den Tigern geht noch ein wenig weiter. Setz dich doch!"

"Ja? Wie denn noch weiter?"

"Um die riesigen Städte zu versorgen, braucht man viele Felder, und die liegen außerhalb."

"Dachte ich mir."

"Außerdem haben sie dazwischen viel Wald. Und in dem Wald wohnen jetzt die Tiger."

"Woher hast du das?"

"Das hat mir Rauchender Haufen neulich auch noch erzählt, aber ich habe es vergessen."

"Und?"

"Er war ja erst mehrere Sommer nach diesem Vorfall dort. Aber seitdem die Tiger im Wald leben, holen sie sich so alle paar Tage einen Menschen."

"Na klar, irgendwas müssen die ja essen."

"Vor allem sind Menschen leichter zu fangen als jedes andere Futter."

Es war klar, dass Roo-Arr wieder einmal seine Bedenken wegen des freilaufenden Tigers im Dorf vorbringen musste.

"Roo-Arr, ich weiß das: Einen Menschen zu fangen macht den Tigern am wenigsten Arbeit."

"Gut. Du weißt es also."

"Ja, ich weiß es. Und?"

"Wenn die Leute dort die Felder bestellen wollen, müssen sie immer wieder durch den Wald mit den Tigern..."

"Und nur die wenigsten wollen gefressen werden?"

"So ist es. Man kann die Tiger aber weder hören noch sehen. Sie sind nämlich lautlos. Man kann sich nicht in Sicherheit bringen. Also strömen seit mehreren Sommern die Feldbauern in die Stadt. Sie wollen nicht mehr auf den Feldern arbeiten und ständig Angst haben. In der Stadt fühlen sie sich sicherer, aber es gibt nicht genug Arbeit. Gleichzeitig bestellt niemand die Felder."

"Lass mich raten: In der Stadt wird das Essen knapp?"

"Richtig. Daher befahl der König, dass Sklaven und Gefangene auf den Feldern arbeiten sollten."

"Die können ruhig gefressen werden."

"Richtig. Aber sie kennen sich meistens gar nicht aus mit der Feldarbeit. Der Ertrag der Felder ist seitdem verschwindend gering geworden. Man muss sie anleiten, aber es hilft nicht viel. Außerdem muss man sie bewachen, damit sie nicht abhauen."

"Und?"

"Irgendwann wurde der erste Wächter im Wald von den Tigern gefressen. Seitdem finden sich keine Wächter mehr für die Sklaven und Gefangenen. Man presst sie dazu, aber die Wächter hauen auch ab."

"Oha!"

20 Juni 2014

Chronik der Kürbiskriege! Große Städte (7)

Roo-Arr war erleichtert, dass er diese Geschichte von dem durchgedrehten König-Gott-Häuptling mit jemandem teilen konnte. Immerhin war er selbst ebenfalls allmächtiger Chef - wenn auch gewählt:

"Adlerklaue war froh, dass er seinen Alten nicht selbst umbringen musste, weil der sehr gut bewacht wurde. Zur Feier des Tages verfügte er großzügig, dass einer Anzahl Sklaven und Gefangenen das Herz herausgeschnitten werden sollte, und außerdem dem Tigerbaby."

"Nicht Lautlose Sohle, nein?"

"Anscheinend doch. Der Wächter des kleinen Tigers brachte das nicht übers Herz und ist mit ihm geflüchtet."

"Hätte ich auch gemacht. Wer weiß ob sie dich noch brauchen, wenn sie schon dein wehrloses Tierkind umbringen?"

"Dem Wächter wurde ein größerer Suchtrupp hinterhergeschickt, von dem man nie wieder etwas hörte."

"Na sicher: Wenn die den Wächter nicht fangen konnten werden sie sich auch nicht zurück nach Hause getraut haben. Kein Wunder, bei den grobschlächtigen Sitten."

"Sage mal, Fatale Sandale, da lag nicht zufällig irgend ein Indianer herum, als du den kleinen Tiger gefunden hast?"

"Schon, so ein halbes Gerippe, die Geier haben ihn zerpflückt, der war schon tot."

"Und?"

"Na, ich habe ihm keine Totenplattform gebaut - die Geier hatten ihn ja bereits gefunden."

"Aha."

"Ja, ich habe den kleinen knuffigen Kater genommen und dachte, dass er sicher Hunger hat. Und dass sich meine Frau über das Tierchen auch sehr freuen wird. Und der Indianer war ja schon tot."

"Aha."

"Was?"

"Fatale Sandale, du bist unser diensthabender Medizinmann und erster Vertretungsschamane - du weißt doch, was zu tun ist!"

Natürlich gab es Regeln für solche Fälle. Oder wenigstens Handlungsrichtlinien. Zwar wusste niemand von dieser Geschichte, aber alle wären sich einig gewesen, dass man in so einem Fall nicht nichts tun konnte.

"Ich? Das ist ziemlich weit von hier, weißt du? Und ich wollte nach Hause.  Das lohnt doch jetzt gar nicht mehr…"

"Also, ich hätte wirklich nicht geglaubt, dass ich Dir so etwas sagen muss! Höre den Ratschlag, zwingende Anweisung von mir, Deinem gegenwärtigen Häuptling und gewählten Chef!”

“Muss ich wirklich?”

“Ja! Du gehst an die Stelle, wo du den Kater gefunden hast. Dort sammelst du die Knochen von dem toten Krieger ein und legst sie auf einen Haufen."

"Ich dachte schon, ich muss ihn eingraben. Der Boden dort ist knochenhart."

"Dann legst du einen schönen Steinkreis außen um den Toten herum und dankst den Ahnen dafür, dass er dir den Kater gebracht hat."

"Hat er doch gar nicht."

"Hat er wohl! Die Ahnen haben ihn dazu veranlasst. Und deshalb bittest du sie, nachsichtig mit ihm zu sein."

"Muss ich wirklich?"

"Das wird den Ahnen gefallen. Und gerade dir wird ein wenig Ansehen bei den Ahnen sicher nicht schaden."

"Ja, naja, wahrscheinlich hast du recht."

"Du kannst ein paar Stück Traum-Kaktus mitnehmen, ich habe noch etwas da."

"Ah, gut, mache ich."

"Wann?"

"Morgen kann ich nicht."

"Wann?!?"

"Übermorgen, da habe ich frei."

"Gut. Noch einen Kürbis Bier? Die sind wirklich sehr klein."

19 Juni 2014

Chronik der Kürbiskriege! Große Städte (6)

Roo-Arr erzählte weiter, was Rauchender Haufen über den König und die Tiger berichtet hatte:

“Nach einer Weile beauftragte er seine Leute, sie sollten die Tiger am nächsten Tag wieder bringen, damit er ihnen befehlen kann."

"Ihnen befehlen? Was denn befehlen?"

"Keine Ahnung, Rauchender Haufen wusste es auch nicht. Der König wahrscheinlich auch nicht."

"Einer Katze kann man nicht befehlen!"

"Sag das mal einem, der den Chefposten von seinem Vater geerbt hat und sich für einen Gott und Chef der Ahnen hält. Vielleicht wollte er nur, dass die Tiger die anderen Könige zerlegen."

"Wenn die so sind wie mein Kater, dann kann man ihnen nicht befehlen. Jedenfalls nicht nur, weil man der geerbte König ist und einen Angebernamen hat."

"Solche feinsinnigen Betrachtungen waren dem König Jaguarpranke anscheinend fremd. Er wollte den Tigern befehlen. Und damit man zweifelsfrei erkennt, wie zwingend seine Befehle sind, sollten sie dafür aus dem Käfig freigelassen werden."

"So blöd kann doch keiner sein. Das hat sich Rauchender Haufen doch nur ausgedacht, oder?"

"Ich glaube ihm. Er sagt, dass die Leute vom König schon merkten, wie wahnsinnig seine Idee ist. Aber keiner wagte, es ihm zu sagen. Sie haben sich lieber alle verdrückt."

"Wie?"

"Angeblich kam jeder mit einer Ausrede: Die Berater, die Wachkrieger, die Sklaven, seine Frauen, alle wussten irgendeinen Grund, warum sie nicht dabei sein mussten. Niemand hatte den Mut, den König darauf hinzuweisen, dass diese Tiger sehr große starke wilde Tiere sind. Vielleicht dachte er auch, dass er am besten erst einmal alleine das Befehlen der Tiger übt."

"So ein Schwachkopf."

"Nun, Fatale Sandale, DU bist hier der mit dem Riesenkater im Ehebett. ICH finde ihn furchteinflößend."

"Das ist doch was ganz anderes! Wenn er satt ist, ist er ganz lieb!"

"Sie brachten also den Käfig nach oben, in den großen Raum, wo der König arbeitet, und öffneten den Käfig. Dann verschwanden auch die Helfer zügig. Das Tiger-Baby ließen sie im Stall, bei einem Wächter. Der König trat vor die Tiger. Rauchender Haufen hat später einen anderen König ein paar mal beim Befehlen gesehen, er sagt, bei solchen Anlässen sah der König gar nicht wie eine Jaguarpranke oder irgendein anderes starkes Tier aus.”

“Nicht? Wie denn sonst?”

“Nein, ganz im Gegenteil: Wie ein unnützer knallbunter Vogel."

"Wie ein Angeber eben."

"Und dann geschah wohl, was für jeden halbwegs vernünftigen Menschen absehbar war: Die Tigerin war böse, weil man ihr das Baby weggenommen hatte. Der Tiger war böse, weil seine Tigerin schlechte Laune hatte. Und dann tritt vor sie ein Männchen, das aussieht wie eine Kreuzung aus quietschbuntem Geier und einem dieser Berufsspaßmacher. Die beiden Tiger hatten jedenfalls Spaß mit ihm. Das war das Ende der Regierungszeit von Jaguarpranke."

"Nicht sehr überraschend."

"Als man an diesem Tag sicher war, dass er endgültig tot ist und die Tiger halbwegs satt, machten die Leute vom König so viel Lärm, dass die beiden Tiger davonliefen. Sie sprangen über die Mauer und verschwanden im Wald. Der Sohn von Jaguarpranke erbte seinen Posten. Er nannte sich Adlerklaue."

"Noch so ein Angeber!"

"Schon. Warum sollte so ein König auch kein Angeber sein? Der hat doch sicher menschliche Schwächen wie alle anderen auch. Irgendwie klingt die Geschichte von den zwei Tigern und der Jaguarpranke genauso wie die von Lautlose Sohle, der kürzlich den Mörder unserer Nachbarn erlegt hat."

"Jetzt, wo du es sagst, fällt es mir auch auf. Dabei, weißt du, ich glaube, er hat keinen Sinn für Gerechtigkeit."

"Das hast du bemerkt, Fatale Sandale? Obwohl er dein Kater ist, den du so liebst?"

"Sicher. Ich liebe ihn, aber er ist ein riesiger Kater, ich weiß das. Gerechtigkeit interessiert ihn nicht. Schon gar nicht unsere menschliche Gerechtigkeit. Er hat Hunger, ist neugierig und manchmal will er seinen Spaß haben. Aber er kann es nicht leiden, wenn ihm einer blöd kommt. Da sind seine Eltern anscheinend genauso."

18 Juni 2014

Chronik der Kürbiskriege! Große Städte (5)

Die Seefahrer hatten also gestreifte Riesenkatzen mitgebracht, berichtete Roo-Arr über die Erzählung von Rauchender Haufen, der sich das auch wiederum hatte berichten lassen. Aber es klang irgendwie trotzdem einleuchtend, insbesondere für den Medizinmann Fatale Sandale, der selbst weit herumgekommen war:

"Also, Roo-Arr, wenn du das so erzählst: Das ist eine Welt, die ich nicht verstehe."

"Die gestreiften Katzenriesen nennen sie Tiger. Die beiden Tiger haben unterwegs überraschend ein Baby gekriegt. Damit hatten die Seefahrer noch mehr zum Angeben, oder zum Eintauschen. Sie brachten die Tiere zum König und führten sie ihm in dem Käfig vor. Vielleicht haben sie auch irgendein Tauschangebot gemacht und wollten sie nicht ohne Gegenleistung da lassen. Die Tiger gefielen dem König, er behielt sie gleich und ließ die Seefahrer umbringen, die sie in sein Haus gebracht hatten."

"Das ist doch der Gipfel des Undanks! Der vollkommene Wahnsinn! Sind das wirklich Menschen?"

"Die anderen Seefahrer sind Hals über Kopf geflüchtet. Aber sie kamen später zurück, nach dem Ende der Regierungszeit von Jaguarpranke, und da hat sie Rauchender Haufen getroffen und ausgefragt."

"Die sind auch noch zurückgekommen?"

"Das Wetter war schlecht, Wind aus der falschen Richtung, und sie konnten nicht so bald nach Hause fahren, hinter den Horizont, wo sie hergekommen waren."

"Und was war mit den Tigern?"

"Das Volk sagt, so ein König könne sich gar nicht vorstellen, dass man ihm die Tiger nicht zum Geschenk machen wollte - schließlich sei er doch König. Und weil die Seefahrer sich nicht trennen wollten, musste er sie eben töten lassen."

"Das hat ... eine ... innere Logik."

"Ja, nicht wahr?”

17 Juni 2014

Chronik der Kürbiskriege! Große Städte (4)

Roo-Arr berichtete vom Meer, das die wenigsten der Kürbiskrieger mit eigenen Augen gesehen hatten.

"Hin und wieder kommt jemand aus der Richtung der versinkenden Sonne mit einem Boot. Aus der Richtung wo wir dachten, dass dort nichts mehr ist. Diese Boote sind ganz anders als unsere, sagt Rauchender Haufen. Er hat sie sich genau angesehen. Sie bestehen nicht aus Kürbissen, sondern zum Beispiel aus ausgehöhlten Baumstämmen."

"So große Bäume gibt es doch gar nicht!"

"Bei uns nicht. Dort wo diese Boote herkommen, anscheinend schon. Es gibt anscheinend auch noch andere Boote. Rauchender Haufen hat es sich erklären lassen: Sie haben dort eine Art Gras, aber nicht dünne zierliche Halme, die einem bis zu den Knien reichen. Dort werden die Halme so groß wie bei uns die Bäume und dick wie mein Bein. Und das Gras wächst sehr schnell und ist ungeheuer stabil. Daraus kann man große Boote bauen, wenn man sie zusammenbindet und mit Rinde oder Tierhaut überzieht."

"... sagt Rauchender Haufen."

"Sagt er. Das hat er gesehen. Dem Adler sei dank haben wir hier kein solches Gras. Er würde das sofort ausprobieren."

"Und weiter?"

"Die Leute auf diesen Booten nennen sich 'Seefahrer'. Sie sagen, dass sie von sehr sehr weit her kommen. Sie sagen, dass sie mehrere Monde auf dem Wasser unterwegs waren."

"Das soll man glauben?"

"Na, Monde werden sie schon zählen können, und Vollmond und Neumond können sie bestimmt auch unterscheiden. Neumond ist, wenn man nachts nichts sieht. Außer deinem Kater. Und dass es sehr weit sein muss merkt man daran, dass sonst noch niemand dort war."

"Die verirren sich doch auf dem großen Wasser. Da gibt es doch nichts."

"Du verirrst dich doch auch nicht in der Wüste, Fatale Sandale."

"Das ist doch was ganz anderes."

"Findest du?"

"Nein."

"Vor einigen Sommern kam eine Gruppe von mehreren Booten. Sie wollten Sachen tauschen. Oder vielleicht waren sie nur genauso neugierig wie Rauchender Haufen. Und damit sie etwas wirklich beeindruckendes zum Tauschen haben, brachten sie zwei riesige Katzen mit."

"Riesig? Gestreift, so wie Lautlose Sohle?"

"Ganz genau, riesig, gestreift, so wie Lautlose Sohle. Die waren in einem Käfig eingesperrt, die Seefahrer wollten sie dem König anbieten und dafür irgend etwas anderes eintauschen. Oder vielleicht wollten sie nur Eindruck schinden, sich Geschenke geben lassen und dann wieder abziehen."

"Also, Roo-Arr, wenn du das so erzählst: Das ist eine Welt, die ich nicht verstehe."

16 Juni 2014

Chronik der Kürbiskriege! Große Städte (3)


Roo-Arr berichtete weiter von der Erzählung des zurückgekehrten Erfinders Rauchender Haufen:

"Und dann wohnt dort in dem dichten Wald wohl auch eine Art Berglöwe, sie nennen ihn den Großen Jaguar. Rauchender Haufen hat ihn nicht selbst getroffen, aber überall stehen Figuren davon, und die sind vielleicht so groß wie unser Berglöwe. Der König nennt sich Jaguarpranke."

"Was für ein Prahlhans! Er sollte sich Jaguarprahlhans nennen!"

"Naja, ich habe mich ja auch Roo-Arr genannt."

"Mach dir nichts draus. Du musst dich nicht schämen, dass du damals so einen Namen gewählt hast. Roo-Arr - das erinnert an den Ruf des Berglöwen, nicht an seine rohe Kraft!"

"Danke. Der König-Gott dort darf aber auch über alles bestimmen. Er ist Herr über Leben und Tod."

"Das bist du doch auch, das ist doch klar, wenn wir dich zum Häuptling wählen."

"Aber unsere Häuptlinge entscheiden über Leben und Tod nur, wenn es absolut notwendig und unumgänglich ist."

"Na sicher. Wann denn sonst?"

"Na: Immer. Aus Langeweile. Um den Königen der anderen Städte..."

"Die haben noch mehr solche ... 'Könige'?"

"Ja, angeblich haben dort alle Städte so einen. Also: Er entscheidet über den Tod von irgendeinem, um dem Nachbarkönig zu beweisen, wie mächtig er ist."

"Das sind doch Barbaren!"

"Und der Nachbarkönig seinerseits lässt dann auch ein paar Menschen umbringen, damit niemand denkt, dass er nicht mächtig ist."

"Glaubst du diese Geschichten wirklich alle?"

Zwar waren sich die Indianer gegenseitig zur Wahrhaftigkeit verpflichtet. Aber selbstverständlich kannten sie Geflunker, Angeberei und Übertreibung. Als guter Medizinmann wusste Fatale Sandale, dass eine noch so übertriebene Geschichte dann glaubwürdig wirkt, wenn der Erzähler nur selbst fest genug daran glaubt. Roo-Arr wusste das allerdings auch.

"Ich würde sie nicht glauben, wenn es nicht Rauchender Haufen gewesen wäre, der sie erzählt hat. Man kann ihn leicht anschwindeln, aber was er gesehen hat, gibt er genau und fehlerfrei wieder."

"Na gut."

"Er sagt sogar, dass sie gefangene Krieger und Sklaven umbringen lassen."

"Das ist doch unfair!"

"Sie tun das nur so aus Tradition, weil gerade ein Feiertag ist. Oder weil es eine Weile nicht geregnet hat."

"Aber das ändert doch nichts am Wetter!"

"Das wollen sie anscheinend nicht einsehen. Und weil sie Leute ungestraft umbringen können, tun sie es auch. Rauchender Haufen hat auf dieser Reise viel gelernt."

"Du meinst: Er war schwer schockiert über die Schlechtigkeit der Welt?"

"Genau."

"Und was hat das jetzt mit meinem Kater zu tun?"

"Du hast doch vom ganz großen Wasser gehört?"

"Du meinst den Salzsee?"

"Nein, das andere, das auch salzig ist, aber viel weiter als der Salzsee, unendlich."

"Ich habe davon gehört, war aber noch nie dort."

"Lange hat man erzählt, dass dort kurz hinter dem Horizont die Welt zu Ende ist. Es gibt eine Klippe, und dahinter geht es hinunter, wie bei uns oben am Rand vom Canyon, nur viel größer."

"Ja und?"

"An dieser Theorie kann etwas nicht stimmen."

"Das kommt oft vor bei Theorien..."

"Es ist wohl so, dass von dort, aus der Richtung der untergehenden Sonne, wo es immer hieß, dass dort nichts als eine steile Kante ist, Boote herkommen."

"Du meinst, dass sie die die ganze Klippe hinaufgetragen haben?"

"Ich meine, dass es keine Klippe gibt. Keine Kante, kein Canyon, kein Abgrund."

"Das würde einiges erklären."

15 Juni 2014

Chronik der Kürbiskriege! Große Städte (2)

Die Indianer waren sich einig, dass für jede Segnung auch eine Anstrengung erforderlich war, und dass man nicht jeden einzelnen Handgriff mit einem anderen Handgriff aufwiegen musste. Selbst wenn sie besser rechnen gekonnt hätten - sie rechneten nicht. Auch der Umstand, dass man ein Feld bestellen musste, wenn man später ernten wollte, leuchtete ihnen ein.

Die Idee von 'Reichtümern', die man ansammeln konnte und für die gar keine Arbeit notwendig war, war ihnen daher völlig unverständlich. Dafür brauchte es einen fantasievollen Erfinder wie Rauchender Haufen.

"Na er dachte an so etwas wie eine Schinkenkeule..."

"Warum wollte er dort hinlaufen, damit ihm jemand eine Schinkenkeule gibt? Die kann er doch auch hier machen."

"So sehe ich das auch. Und er dachte an Schmuck, glitzernde Steine, Farben. Sie machen dort angeblich kleine Figürchen aus dem 'Gold'."

"Was will er denn damit?"

"Ich habe keine Ahnung. Jedenfalls hat er einen Beutel voll Gold gesammelt und ist losgelaufen, immer dahin, wo die Sonne im Zenit steht."

"Dort ist es noch heißer als bei uns, habe ich gehört?"

"Frag ihn selbst, wenn er wieder da ist. Er ist mehrere Monde lang gelaufen."

"Kommt da nicht ein Fluss?"

"Frag ihn selbst. Irgendwann kam er schließlich zum Wald. Sie haben dort angeblich viel dichteren Wald als bei uns."

"Das ist nicht schwer. Ich kenne Wald. Der hier bei euch ist wirklich dünn."

"Nach einem Marsch durch den Wald kam er bei einem Riesenpueblo an. Nicht so am Hang, wie unseres, sie haben dort keine Hänge. Und auch keinen Canyon, sagt Rauchender Haufen."

"Wie kann man nur so leben?"

"Der Pueblo ist riesig-riesig, sagte er. Der ist größer als alle unsere Pueblos hier zusammen, und noch die Dörfer von den Leuten in den Zelten dazu."

"Das glaubst du? Hat Rauchender Haufen da nicht geflunkert?"

"Er hat nachgezählt. Und irgendwann ist ihm alles ausgegangen, was man zum Zahlenmerken nehmen kann. Und er war immer noch lange nicht fertig."

"Das glaubst du ihm?"

"Sicher, seit wir Zahlen haben, sind die Zahlen seine Leidenschaft. Der Pueblo dort ist nicht nur unzählbar groß - es gibt angeblich sogar viele davon, naja, mehrere, jeweils im Abstand von einem Tagesmarsch. Sie nennen es eine 'Stadt'."

"Dort leben wirklich Menschen? Ist das nicht furchtbar laut? Eng?"

"Rauchender Haufen sagt, dass er auch sehr schockiert war. Aber ich glaube ihm seine Geschichten, er ist ein sehr guter Beobachter. Wenn er etwas nicht versteht, dann sagt er es. Wenn er etwas versteht ... also, wenn er glaubt, dass er etwas versteht ... dann muss er es ausprobieren. Es ist furchtbar! Aber er ist ein sehr zuverlässiger Beobachter."

"Und was ist mit meinem Kater?"

"Dazu komme ich noch. Gedulde dich, es ist eine längere Geschichte. Nimmst du noch einen Kürbis Bier? Die sind diesmal wirklich sehr klein."

Fatale Sandale nahm gern noch einen Kürbis Bier. Roo-Arr erzählte weiter:

"In der Stadt haben sie auch einen Chef. Aber Rauchender Haufen sagt, dass der nicht gewählt wird."

"Was denn sonst?"

"Er ist der Chef, weil sein Vater der Chef war."

"WAS? Was ist denn das für ein Unfug? Das ist doch maßlose Dummheit! Wenn einer Chef werden soll, dann muss er doch erst zeigen, dass er das kann! Nur weil sein Vater Häuptling war, heißt das doch lange nicht, dass der Sohn das auch kann. Ganz im Gegenteil!"

"Im Gegenteil?"

"Die Söhne von Häuptlingen, das sind doch meistens so verwöhnte, verzogene, faule und überhebliche Bürschchen!"

"Ich hoffe, du meinst damit nicht meinen Sohn? Macht Blumenth'al diesen Eindruck?"

"Aber ... aber nein! Selbstverständlich nicht dein Sohn! Dein Sohn ist wirklich ganz in Ordnung - aber die anderen!"

"Na schön. Dort in der Stadt ist so ein Chef, der sein verantwortungsvolles Amt vom Vater geerbt hat, der es seinerseits auch schon geerbt hat, nicht einfach Häuptling. Sie haben einen besonderen Titel für so einen, er nennt sich 'König'."

"Natürlich, so ein Angeber muss auch einen exotischen Titel haben."

"Es kommt noch besser: Der König denkt, dass er Gott ist."

"Du meinst, wie die Ahnen? Nur in lebendig?"

"Nein, viel größer: Er hält sich für den Herrscher über die Ahnen."

"Wie stellt er sich das vor? Der ist doch völlig durchgedreht. Die Könige dort sind offenbar noch viel verrückter als hier meine Kranken. Das lassen sich die Leute gefallen?"

"Es ist vermutlich eine andere ... Kultur."

"Na, Kultur ist doch sicher nicht das richtige Wort für diese Wahnsinnigen!"

Die Indianer hatten eine genaue Vorstellung von Kultur und sie waren sehr stolz darauf.

14 Juni 2014

Chronik der Kürbiskriege! Große Städte (1)

Seit einiger Zeit war Fatale Sandale der diensthabende Medizinmann. Er war von auswärts zugezogen, nach anfänglichem Misstrauen waren die Indianer mit seiner Arbeit aber sehr zufrieden. Von seinem Kater Lautlose Sohle hatten zwar alle gehört, aber die wenigsten bekamen ihn zu Gesicht, weil er sich tagsüber, nun, nicht versteckte, aber geschickt im Schatten oder irgendeiner Deckung aufhielt. Von dort aus sah er ihnen bei ihrem Leben und bei der Arbeit zu. Wenn ihn wirklich einmal jemand dabei störte, ein spielendes Kind vielleicht, verzog er sich entrüstet.

Deshalb dachten die wenigsten über den riesigen Kater nach. Nur Roo-Arr, der gewählte Chef, war manchmal beunruhigt. Er malte sich den gewaltigen Schaden aus, den so ein Riese anrichten konnte, und dass Lautlose Sohle ein Raubtier war konnte jeder leicht sehen.

Dem Mächtigen Berglöwen hätte man jeden Überfall verziehen, es hieß dann 'die Ahnen' hätten ihn beauftragt, jemanden abzuholen. Lautlose Sohle war aber kein Berglöwe, er war viel, viel größer. Und er hatte Streifen.

Roo-Arr besuchte den Medizinmann gerne, weil er zuverlässig war und nachvollziehbar dachte. Die wenigsten anderen im Stamm waren so. Wenn gerade Bier von den Fynfzehnkilohant'l da war, saßen sie um das Feuer, tranken zusammen und erzählten sich aus ihrem Alltag.

"Hallo Fatale Sandale, ich habe etwas über deinen Kater erfahren."

"So? Was denn? Möchtest du hereinkommen? Ich habe aber nur Wasser und ein paar Früchte da."

"Ich habe Kürbisbier dabei. Möchtest du einen Kürbis Bier trinken. Oder zwei?"

Das Bier wurde zum Transport in Kürbisgefäße abgefüllt.

"Tut mir leid, Fatale Sandale, die sind diesmal sehr klein."

"Macht nichts. Gerne, danke. Und?"

"Vorhin habe ich Bier getauscht und bei dieser Gelegenheit Rauchender Haufen besucht. Er ist seit letzten Sommer bei den Fynfzehnkilohant'l und arbeitet seine Schulden ab."

"Der Erfinder?"

"Er ist eigentlich nur Töpfer, aber er baut gern alles mögliche, was dann nicht funktioniert. Ich staune, dass die es so lange mit ihm aushalten."

"Warum? Neugier ist doch ein Vorteil. Man muss alles ausprobiert haben!"

"Muss man nicht. Hast du von der Reise von Rauchender Haufen gehört?"

"Nur so in Andeutungen und Umrissen."

"Naja, ist auch kein Abzeichen des Ruhmes. Also, Rauchender Haufen war so begeistert von dem glänzenden weichen Metall, das oben im Fluss überall herumliegt. Gold nennt er das."

"Ich habe es gesehen. Das taugt doch für gar nichts, da ist ja Holz noch härter!"

"Genau. Aber irgendein Wichtigtuer hatte ihm erzählt, dass das in einem fernen Landstrich ganz viel Wert hat, und dass man alle möglichen anderen Reichtümer dafür eintauschen kann."

"Was denn für Reichtümer?"

Die Indianer der kürbistragenden Gebiete hatten eigentlich alles. Es gab in der Regel genug zu essen und wenn einem kalt war konnte man sich Kleidung anziehen. Dass man sich für beides ein wenig Mühe geben musste fiel ihnen nicht auf. Sie hatten ja sonst nichts zu tun. Wenn die Kraft des einen nicht ausreichte, rief man die Nachbarn zu Hilfe, und die mussten einem helfen, auch wenn sie keine Lust hatten.

13 Juni 2014

Chronik der Kürbiskriege! Haustiere

Heute:
Der Königstiger der Kürbiskrieger (3)

Eine der Aufgaben des gewählten Chefs war es, im Pueblo für Ordnung zu sorgen. So fasste er seinen Auftrag jedenfalls auf. Alle seine Indianer sahen das genauso - sofern nicht gerade sie selbst sich einschränken sollten. Manchmal schoss er auch über das Ziel hinaus. Oder das Ziel war einfach unklar und daher leicht zu verfehlen.

Diesmal wollte er endlich Fatale Sandale ermahnen, den diensthabenden Medizinmann. Der hatte einen riesigen gestreiften Kater als Haustier, den er Lautlose Sohle nannte, und von dem die Indianer noch nicht wussten, dass es sich um einen Tiger handelt. Nur dass er für einen Kater sehr, sehr groß war, das sahen sie sofort. Wenn sie ihn sahen - aber das kam selten vor.
"Fatale Sandale, dein Kater kackt überall hin!"

"Tut er gar nicht!"


"Ich finde doch seine Haufen überall!"


"Ich weiß nicht, von wem die Haufen sind - bestimmt nicht von Lautlose Sohle."


"Woher willst du das wissen?"


"ich habe ihm das beigebracht."


"Du hast ihm WAS beigebracht?"


"Na, dass er nicht überall hin kacken darf. Er vergräbt seins immer ordentlich."


"Das ist doch Unfug!"


"Jede Katze macht das."


"Er ist aber auf jeden Fall nicht 'Jede Katze'. Wie willst du ihm das denn beigebracht haben?"


"Ich habe mit ihm geschimpft."


"Du schimpfst mit diesem Riesen?"


"Früher. Heute nicht mehr so oft."


"Du meinst: Heute gar nicht mehr..."


"Doch, doch, kommt schon noch vor. Aber er weiß ja jetzt fast alles."


"Glaubst du doch selbst nicht."


"Aber sicher! Wenn er etwas falsch gemacht hat und ich schimpfe mit ihm, dann ist er ganz geknickt. Er senkt schuldbewusst den Kopf und schleicht davon."


"Trotzdem kackt er überall hin."


"Tut er nicht! Jedenfalls nicht hier im Pueblo."


"Das kannst du doch gar nicht wissen."


"Doch. Er geniert sich."


"Dieser Riese?"


"Was hat das denn mit der Größe zu tun? Er hat es nicht gern, wenn man ihm dabei zusieht. Deshalb geht er immer nach außerhalb, wenn er mal muss. Ich weiß nicht, wo er das her hat, ich habe ihm das nicht beigebracht."


"Aber von wem sind dann die Haufen?"


"Keine Ahnung. Nicht von Lautlose Sohle. Frag mal deine Indianer."
Damit stand Wort gegen Wort. Die Indianer waren einander zur Ehrlichkeit verpflichtet, im großen und ganzen. Eine Tatsache, die man nicht zugegeben hatte, war keine. Wirklichkeit war in ihrer vergeistigten Welt eine Frage der Definition. Eine Wahrheit galt ohnehin nicht, nur weil man sie anfassen konnte. Und nun lagen da zuweilen mysteriöse Haufen.
"Na gut, Fatale Sandale, für heute gehe ich. Aber ich behalte deinen Kater im Auge!"

"Tu das. Er lässt sich nichts zuschulden kommen. Aber achte auch auf deine anderen Indianer."


"Schon gut, werde ich tun."



 weitere Tigergeschichten unter Chronik der Kürbiskriege! Große Städte (1)

11 Juni 2014

Chronik der Kürbiskriege! Schuld und Sühne

Heute:
Der Königstiger der Kürbiskrieger (2)

Fatale Sandale, der diensthabende Medizinmann der Handclatchtomat'l, hat einen etwas zu groß geratenen Kater, der nicht haargenau so aussieht, wie sich die Kürbiskrieger einen Kater vorstellen. Vor allem Roo-Arr, der gewählte Häuptling, ist argwöhnisch.
"Erst vor ein paar Tagen hat dein Kater aber einen Menschen getötet!"
"Schon. Nur war das kein gewöhnlicher Indianer."
"Oh doch!"
"Nein, es war der Mörder, den die Poclatchpapat'l seit einer ganzen Weile suchten."
"Das ist doch deinem Kater egal. Hat er halt einen Mörder getötet. Meinst du, ein Mörder riecht anders?"
"Warum sollte der anders riechen?"
"Eben! Der riecht nicht anders. Der war auch ein Indianer. Glaubst du, dass Lautlose Sohle den Unterschied erkennt? Der sieht in uns doch nur Lama-Steaks auf zwei Beinen."
"Na und? Außer dir und mir weiß niemand davon. Die Poclatchpatat'l glauben, der Mächtige Berglöwe hätte ihn bestraft."
"Ja, Fatale Sandale. Aber du und ich wissen, dass der Mächtige Berglöwe in diesem Moment schon ein paar Tage tot war. Ich habe ihn selbst begraben. Und einen anderen haben wir zur Zeit nicht in der Gegend. Dein Kater bringt Menschen um!"
"Nun beruhige dich mal wieder. Er hat den Poclatchpatatl'n sogar einen Gefallen getan."
"Entschuldige ihn nicht auch noch! Wie kommst du auf so einen Unsinn?"
"Sie wussten nicht, was sie mit einem Mörder anfangen sollen. Vor einiger Zeit haben sie sich ein Gesetz gegeben, dass sie keine eigenen Stammesmitglieder töten. Um ihn angemessen zu bestrafen haben sie deshalb versucht, ihn zuerst aus ihrem Stamm auszuschließen."
"Die spinnen auch!"
"Mag sein. Das Ausschließen geht nur einstimmig."
"Was?"
"Ja. Hat nicht funktioniert, weil die Mutter dieses Widerlings immer dagegen gestimmt hat. Da haben sie nun so viel Kultur und wertvolle Gesetze, und wo führt das hin? Nirgends."
"Das ist mir ganz neu, Fatale Sandale, das hast Du gehört?"
"Habe ich. Dieser Feigling wollte sich noch nicht einmal selbst von der Klippe stürzen. Obwohl sie ihm das nahegelegt haben. Dafür wollten sie hinterher sogar für ihn ein gutes Wort bei den Ahnen einlegen."
"So großzügige Angebote machen die selbst einem Mörder?"
"Ja. Aber der Feigling wollte nicht. Stattdessen ist er abgehauen. Seine Mutter hat ihm heimlich Essen gebracht. Und irgendwann muss er Lautlose Sohle getroffen haben."
"Dein Kater hätte doch auch jeden anderen zerlegt! Der kann das doch gar nicht unterscheiden!"
"Dass die Ahnen dabei auch ihre Finger im Spiel hatten willst du wohl nicht glauben, was?"
"Allein der Mächtige Berglöwe ist der Abgesandte der Ahnen, sonst niemand! Man erkennt ihn daran, dass er keine Streifen hat!"
"Na gut, mein Kater hat Streifen und ist wohl kein richtiger Berglöwe. Aber du musst dir trotzdem keine großen Sorgen machen, Roo-Arr."
"Wieso?"
"Ich höre, dieser Mörder von den Poclatchpatat'l sei ein sehr unbeherrschter Dummkopf gewesen."
"Erzählen sie das?"
"Es sind auch die Worte 'stumpfer Idiot' gefallen und noch einige andere unvorteilhafte Bezeichnungen. Er hat angeblich häufig versucht, sich mit Grobheit durchzusetzen. Selbst unbedeutende Kleinigkeiten, er wurde wegen Nichtigkeiten gewalttätig, reines Geprahle."
"Na und?"
"Ich vermute, dass er das auch versucht hat, als er auf Lautlose Sohle getroffen ist, meinen riesigen Kater. Der ist normalerweise lieb, hat aber auch gerne Recht."
"Meinst du?"
"Ich möchte wetten, dass es so war."
"Na, ich weiß nicht..."
"Jedenfalls wäre das eine einleuchtende Erklärung, die ganz ohne Ahnen auskommt. Nur mit einem Kater und einem Idioten."
"Das behagt mir nicht..."
"Mag sein. Aber außer dir sind alle zufrieden: Die Poclatchpatat'l sind froh, dass sie ihren Mörder los sind. Seine Mutter glaubt, der Mächtige Berglöwe hätte ihn auf Weisung der Ahnen geholt und deshalb gibt sie jetzt Ruhe. Und wir beide wissen, dass mein großer gestreifter Kater einem normalvernünftigen Indianer nichts tut."
"Das ist kein Beweis!"
"Widerlege es."
"Kann ich nicht."
"Siehst du?"



zum 3. Teil unter  Chronik der Kürbiskriege! Haustiere

09 Juni 2014

Chronik der Kürbiskriege! Tigergeschichte

Willkommen zurück beim Historytainment-Kanal! Hier vermischen sich Blutvergießen, Aberglaube und jahrhundertelang unbewiesene Vorstellungen von Ehre aufs schönste zur Unterhaltung der geschätzten Leserschaft! Nehmen sie virtuell Anteil am freien und wilden Leben der indigenen Eingeborenen beider Amerikas - und des kleinen Teils dazwischen.


Heute:
Der Königstiger der Kürbiskrieger (1)

Die Indianer der kürbistragenden Gebiete hatten auch Freizeit. Auch wer im Einklang mit der Natur lebte musste keineswegs ständig ums Überleben kämpfen. In normalen Jahren gaben die Erde und die Jagdgründe ausreichend Nahrung her. Neben der Arbeit blieb ihnen viel Zeit und in dieser Zeit wurde ihnen schnell langweilig. Sie entwickelten Hobbys.

Der eine sammelte Kürbiskerne und sortierte sie nach Größe, Farbe und Struktur. Eine andere ritzte eindrucksvolle Bilder in die Wände vom Canyon. Auf ihre Einladung traf man sich regelmäßig davor zum Grillen und Meinungsaustausch.

Es gab auch Haustierhaltung. Natürlich auch Nutztiere. Die Indianer konnten zwar zwischen nützlichem Nutztier und vermeintlich nutzlosem Haustier gut unterscheiden. Aber auch wenn sie Arbeit machten, gegen Haustiere sprach gar nichts, da man glaubte, dass sie gut für die Seele seien. Mit Ausnahmen.

Wir lauschen einem Gespräch zwischen Roo-Arr, dem gewählten Häuptling der Handclatchtomat'l, und Fatale Sandale, dem diensthabenden Medizinmann.
"Sag mal, Fatale Sandale, was soll das mit Lautlose Sohle?"

"Was soll mit ihm sein? Er ist mein Kater. Das macht er sehr gut."

"Aber dein Kater frisst unsere Jagdgründe leer!"

"Gar nicht! Ich gebe ihm ausreichend Lamafleisch, lauter Abfälle. Und ausschließlich gezüchtete. Das was eben so übrig ist. Zum Jagen ist er dann viel zu faul. Insgesamt macht das jede Handvoll Tage vielleicht ein ganzes Lama. So viel bleibt hier im Dorf immer übrig. Ich sammle die Abfälle bei den Nachbarn ein. Er mag es sogar besonders gern, wenn es schon stinkt."

"Aber er ist riesig!"

"Na und? Je mehr Kater desto besser."

"Er sieht nicht einmal aus wie die Katzen bei uns."

"Seit wann bist du so kleinlich? Du hast doch sonst für jeden Verständnis. Bist du jetzt zum Rassisten geworden? Nur weil du noch nie eine gestreifte Katze gesehen hast?"

"Aber er ist viel größer als alle Katzen bei uns. Viel größer als der Vertreter vom Großen Ozelot. Und sogar doppelt so groß wie ein Berglöwe!"

"Er ist genau wie alle Katzen. Er spielt gerne, er schläft gerne, er frisst gerne."

"Das ... das ist doch nicht dasselbe! Fürchtest du dich nicht manchmal vor ihm, so riesig wie er ist?"

"Nicht mehr als vor meiner Frau."

"Aber das kann man doch nicht vergleichen!"

"Der Kater ist jedenfalls berechenbarer als meine Frau. So lange er nicht hungrig ist, liebt er uns. Bei meiner Frau weiß ich nicht."

"Und wenn er hungrig ist?"

"Keine Ahnung, vermutlich macht er dann keinen Unterschied zwischen uns und dem Futter."

"Das ist doch nicht normal! Überhaupt, so einen Kater habe ich noch nie gesehen. Wo hast du ihn eigentlich her?"

"Habe ich gefunden als er noch ganz klein und hilflos war. Ich weiß nicht, woher er kommt. Damals war er nicht größer als eine gewöhnliche Miezekatze. Dass sein Fell so seltsam gestreift ist, ist mir damals auch aufgefallen. Aber man will doch auch immer was besonderes, nicht wahr? Ich konnte ja nicht ahnen, dass er dermaßen groß wird. Wir haben ihn mit Lamamilch aufgezogen, vielleicht ja deshalb."

"Deshalb was?"

"Na, die Kürbisse werden doch auch mit Lama-Dung besonders groß. Deshalb."

"Und da hast du keine Angst vor ihm?"

"Ich muss nur darauf achten, dass er nie hungrig ist. Ist gar nicht schwer, ich mag meinen Kater. Wenn ich das Futter einsammle sehe ich auch immer nach den Kranken im Dorf und weiter weg, das ist doch sehr praktisch, nicht? Und die freuen sich, dass der Medizinmann freiwillig kommt. Nicht so wie früher, kurz nachdem sie gestorben sind."

"Du machst mich wahnsinnig! Lautlose Sohle schleicht immer durchs Dorf und erschreckt die Leute!"

"Der erschreckt gar niemanden. Die merken noch nicht mal, dass er da ist, weil er immer so leise schleicht."

"Wenn sie es wüssten, würden sie sich zu Tode erschrecken!"

"Er sieht ihnen neugierig bei ihrem Leben zu, mehr nicht. Bei mir hat sich jedenfalls noch niemand beklagt."

"Und du lässt ihn frei herumlaufen!"

"Ich sperre ihn doch nicht ein! Bin ich wahnsinnig? Er braucht seine Freiheit!"

"Am letzten Halbmond hat er einen Berglöwen zerlegt!"

"Wie kommst du darauf? Das ist eine schwere Anschuldigung!"

"Ich habe einen zerfleischten Berglöwen gefunden. Wer sonst könnte einen Berglöwen zerfleischen - wenn nicht dein riesiger Kater?"

"Woher soll ich das wissen?"

"Niemand!"

"Kannst du doch gar nicht wissen..."

"Oh doch! Seine Pranken sind viermal so groß wie eine Hand von mir! Damit zerlegt er ganz leicht einen Berglöwen!"

"War der Berglöwe vielleicht auch ein Kater?"

"Weiß ich nicht. So viel war davon nicht mehr zu erkennen."

"Kater mögen sich nämlich untereinander oft nicht, so ist das bei Katzen."

"Das ist keine Katze! Das ist ein Riese! Und der Berglöwe ist der Abgesandte der Ahnen!"

"Dann muss er eben besser aufpassen."

"Aber ... das geht doch nicht! Der Berglöwe ist der Herrscher über allem!"

"Der soll sich nicht so aufspielen. Jetzt ist er eben selbst bei den Ahnen. Da lernt der Abgesandte auch mal die andere Seite kennen."

"Du ... du ... du kannst doch nicht ..."

"Was hast du eigentlich mit dem Berglöwen gemacht - ich kann mich an kein Totenfest erinnern?"

"Du warst ja nicht da, Fatale Sandale! Ich habe ihn heimlich begraben."

"So so..."

"Allerdings! Unsere Leute sollen nicht denken, das es noch etwas mächtigeres als den Mächtigen Berglöwen gibt. Sonst kommen die noch auf komische Ideen und glauben gar nichts mehr."

"Aha."

"Warum musst du nur so ein riesiges Vieh halten?"

"Das hat überhaupt keine Nachteile. Er ist sehr leise und schmusig. Nur dass er manchmal ein wenig schnarcht."

"Er schnarcht?"

"Ja, ganz leise. Süß, nicht?"

"Schläft er etwa bei euch im Haus?"

"Na, wo denn sonst? Draußen ist es kalt. Das ist auch sehr praktisch, er wärmt sehr schön das Bett."

"Er ... er ... er schläft bei Euch im Bett?"

"Manchmal. Warum nicht?"

"Was - warum nicht?!?"

"Während ihr friert und dreimal in der Nacht aufstehen müsst und Feuerholz nachlegt, haben wir Lautlose Sohle und es ist kuschelig warm. Ich musste nur das Bett vergrößern."

"Das ist doch gefährlich!"

"Nicht mehr als wenn das Feuer zu lange schwelt, wie letzten Winter bei den Nachbarn. Die sind eines Morgens aufgewacht und waren alle tot. So gefährlich ist unser Kater nicht. Wir leben noch."

"Ihr ... ihr seid wahnsinnig!"

"Nicht mehr als ihr."

"Oh doch!"

"Und dabei ist er so süß, wenn er leise schnarcht und seine Schwanzspitze zuckt. So süß!"




weiter zum 2. Teil: Hier

11 März 2010

Chonik der Kürbiskriege!

Willkommen zurück beim Historytainment-Kanal! Hier vermischen sich Blutvergießen, Aberglaube und jahrhundertelang unbewiesene Vorstellungen von Ehre aufs schönste zur Unterhaltung der geschätzten Leserschaft! Nehmen sie virtuell Anteil am freien und wilden Leben der indigenen Eingeborenen beider Amerikas - und des kleinen Teils dazwischen.

Heute:

Schiedsgericht


"Hallo Nagender Karpfen, hallo Gallige Natter, ich begrüße euch beim traditionellen heiligen Schiedsgericht unseres Stammes. Also, worüber streitet ihr beide?"

"Wir streiten gar nicht!"

"Wenn du bockig bist schmeiß ich dich sofort raus und behandle den Streit mit Nagender Karpfen alleine."

"Ich..."

"Du was?"

"Ach, nichts."

"Gut. Also, worüber streitet ihr beide?"

"Ich könnte das Land viel besser bearbeiten."

"Welches Land?"

"Das von Nagender Kapfen."

"Aber es ist nun mal das von Nagender Karpfen."

"Müsste es aber nicht. Es gehört ihm nicht."

"Dir aber auch nicht. Es gehört niemandem."

"Wenn ich das Land von Nagender Karpfen bearbeiten könnte, würde viel mehr dabei rauskommen."

"Du kannst doch von deinem Land ganz gut leben?"

"Aber es wären viel mehr Früchte, Getreide und so!"

"Wenn...?"

"Wenn ich das Land von Nagender Karpfen hätte."

"Du kannst dir neues Land nehmen, das noch niemand gehört, da hinten ist genug."

"Da weiß man aber nicht, wie viel es trägt."

"Das ist alles?"

"Und da führt kein Wasserlauf hin."

"Dann baust du einen, du willst doch arbeiten."

"Aber ich weiß doch gar nicht, ob das viel trägt, wenn alles fertig ist."

"Das ist dann ein Risiko."

"Ja, meins."

"Genau."

"Ich brauche aber kein Risiko."

"Und da wäre es einfacher das Land von Nagender Karpfen zu nehmen, ja?"

"Das würde viel mehr abwerfen, wenn ich es..."

"Schon gut. Ich habs jetzt verstanden."

"Und du, Nagender Karpfen, was sagst du zu deinem Land?"

"Ich bin zufrieden."

"Und meinst du, es könnte mehr abwerfen?"

"Was übrig bleibt, gebe ich jetzt schon in die Gemeinschaftküche."

"Ja, aber es könnte viel mehr übrig..."

"Halt die Klappe, Gallige Natter! Du bist grade nicht dran!"

"Bist du etwa voreingenommen, Roo-Arr?"

"Ich schmeiß dich raus wenn du noch einmal ungefragt redest! Nun, Nagender Karpfen, wie ist das mit dem Land: Bearbeitest du es ernsthaft?"

"Ich bearbeite es. Und wenn ich damit fertig bin kümmere ich mich um die Kinder."

"Richtig, du hast ja drei Kinder."

"Irgendwer muss sich um die kümmern, wenn meine Frau wieder mal unterwegs ist. Ihr Job als Schamanin nimmt sie ziemlich in Anspruch. Dauernd ist sie im heiligen Areal."

"Ein Kind weniger hätte wohl nicht gereicht, was?"

"Möglich. Aber was soll ich denn jetzt machen? Soll ich sie einkochen und für schlechte Zeiten aufheben?"

"Meinetwegen nicht. Und die brauchen so viel Zeit?"

"Na klar. Deine nicht? Ich muss andauernd mit ihnen spielen, zur Jagd gehen, die Rituale erklären. Und Schularbeiten haben sie auch noch. Da schwirrt mir manchmal der Kopf!"

"Und deshalb vernachlässigst du dein Land?"

"Tu ich gar nicht. Ich bin nur früher fertig."

"Aber Gallige Natter sagt, er würde mehr Ertrag kriegen."

"Ach was. Der ist nur beleidigt, weil seine Frau mich ab und zu besucht."

"Bin ich gar nicht!"

"Seine Frau kommt zu Dir?"

"Ja, manchmal."

"Und dann?"

"Du bist aber neugierig!"

"Ich soll hier Schied sprechen. Also: Und dann?"

"Und dann sind wir nett zueinander, wieso?"

"Die ganze Nacht?"

"Ja, klar. Wieso nur Nacht?"

"Nur so. Also, du meinst Gallige Natter ist eifersüchtig?"

"Bin ich gar nicht!"

"... so siehts wohl aus. Mehr als ich arbeitet er jedenfalls auch nicht auf dem Feld..."

"Weil sich das nicht lohnt!"

"... jedenfalls macht er immer schon Schluss, wenn die Sonne im Zenit steht."

"Aha. Verstehe ich das richtig, Gallige Natter: Du bist nicht nur eifersüchtig, sondern beschäftigst auch noch das Heilige Schiedsgericht des Häuptlings deswegen?"

"Stimmt gar nicht! Und wieso "auch noch"?"

"Weil man mit Eifersucht zum Heiler geht, oder zum Schamanen oder zum Gesprächsdoktor."

"Ich bin überhaupt nicht krank!"

"Allerdings!"

"Mir fehlt gar nichts!"

"Du weißt genau, dass Eifersucht eine Krankheit ist."

"Ist sie nicht. Ich bin gar nicht eifersüchtig."

"Und mit Deiner Frau hat diese Geschichte hier nichts zu tun?"

"Und wenn schon..."

"Wo steckt die überhaupt? Sollte sie dich hier nicht unterstützen?"

"Da müsste sie ja ... da müsste sie ja ... Nagender Karpfen ... in die Pfanne hauen!"

"So, In-die-Pfanne-hauen nennst du das? Und ich dachte, du bringst hier ein berechtigtes Anliegen vor?"

"Tu ich doch!"

"Aber nicht mal deine Frau will dir helfen. Wahrscheinlich weil sie dich kennt. Dabei müsste sie hier nur wahrhaftig sein."

"Er hat ihr nichts von dem Termin gesagt."

"Was sagst du, Nagender Karpfen? Woher weißt du das?"

"Ich habe sie vorgestern darauf angesprochen und sie wusste nichts davon."

"Hast du gehört, Häuptling? Er spioniert mich aus!"

"Weil er deine Frau fragt? Was hast du sie gefragt, Nagender Karpfen?"

"Ich wollte nur wissen, was es heute mit dem Termin hier auf sich hat. Ich wusste ja auch nicht warum ich herkommen soll. Aber sie wusste nicht mal von dem Termin."

"So, Gallige Natter, das klingt mir aber sehr nach Eifersucht!"

"Gar nicht wahr! Ich bin überhaupt nicht eifersüchtig wegen diesem schlampigen Faulpelz!"

"Aha. Willst du erst rausgehen um dich abzukühlen oder soll ich den Schiedsspruch gleich verkünden?"

"Ich? Wieso? Nein!"

"Nagender Karpfen?"

"Ist mir gleich."

"Also, in Abwägung der von euch vorgebrachten Hinweise und Argumente, und kraft der mir von den Ahnen und euch übertragenen Autorität spreche ich den weisen Rat: Mit dem Grundstück von Nagender Karpfen bleibt alles beim alten. Du, Gallige Natter, wirst zur Strafe einen Wasserlauf bauen."

"Ich? Wieso werde ich bestraft? Ich hab doch gar nichts getan!"

"Zur Strafe dafür, dass du das Schiedsgericht, mich, mit einer nichtigen Sache beschäftigt hast. Der Wasserlauf den du bauen wirst führt vom Berghang bis zum ersten Stück Land hinter der Dorfgrenze rechts. Da kannst du dich austoben."

"Ich hab überhaupt nichts getan! Bist du bescheuert?"

"... der Wasserlauf führt bis zum vierten Stück Land hinter der Dorfgrenze."

"Wer hat dich überhaupt gewählt? Hast du einen an der Waffel?"

"... bis zum achten Stück Land hinter der Dorfgrenze..."

"Du bist doch nicht bei Trost! Ich werd dir Wasserlauf geben! Ich werde..."

"Nagender Karpfen, holst du bitte die beiden Ordnungskrieger vom Dorfplatz rein? Danke. "

"Das zahl ich dir heim! Das werdet ihr mir büßen! Ihr alle! Ich werde ..."


...


...


...


"Äh, Ro-Arr - musstest du ihn wirklich bewusstlos schlagen?"

"Glaubst du, er hätte sich von alleine beruhigt?"

"Nein, glaube ich nicht."

"Ich auch nicht. Hilf mir ihn rauszutragen."


29 Dezember 2009

Chronik der Kürbiskriege (36)

Geld und Gold (2)

Dass die Idee des Geldes sich nur sehr schwer durchsetzen konnte hatte auch noch andere Gründe. Solche, die nicht allein in der mangelnden Phantasie der Kürbisindianer lagen. Sie hatten nämlich genug Phantasie, um sich Fehlentwicklungen vorzustellen. In dieser Hinsicht waren sie sogar sehr phantasievolle Pessimisten.

"Und jetzt zu dir, Rauchender Haufen!"

Dass er in der Falle saß, war Rauchender Haufen schon die ganze Zeit klar. Aber seinem Häuptling konnte er nicht entkommen. Der war noch nachtragender als der Berglöwe - obwohl der diesen Namen wohl aus einem anderen Grund gewählt hatte.

"Ich hab doch gar nichts gemacht!"

"Genau. Außer den gierigen Abschaum hierher geführt."

"Ich habe die nicht geführt. Die sind mir so gefolgt."

"Und du hast nichts gemerkt, oder?"

"Nein, ich habe wirklich nichts gemerkt. Ehrlich!"

"Zehn Leute schleichen dir drei Monde lang nach und du merkst nichts? Was für ein Indianer bist du eigentlich?"

"Ich konnte doch nicht wissen, was die wollten."

"Die wollten wissen, woher du das Gold holst!"

"Jetzt weiß ich das auch. Aber ich konnte doch nicht ahnen, dass..."

"Was? Dass die sich für dein Gold interessieren weil es so wertvoll ist?"

"Ja."

"Und du bist auch nicht dort hin gereist, weil die Leute dort gradezu verrückt nach dem glänzenden Zeug sind? Ich zitiere deine Worte: Verrückt!"

"Nein. Doch. Ich..."

"Was hast du dir dabei gedacht? Los! Sag es! Sonst vergesse ich mich!"

"Gar nichts. Ich dachte, die hätten zufällig den selben Weg."

"Drei Monde lang! Den selben Weg!?!"

"Naja?"

"Über verschneite Pässe und durch eiskalte Flüsse und dann noch durch den Klapperschlangencanyon?"

"Na, wenn man auf Reisen ist, dann..."

"Zehn Leute, die immer schön Abstand halten?"

"… du bist ja nie auf Reisen …"

"Du bist doch sonst immer so neugierig. Da hast du nicht nachgesehen?"

"Nein … ich … die waren so grimmig."

"Du hast sie getroffen?"

"Naja, ganz zu Anfang. Da habe ich sie gefragt, ob wir zusammen reisen wollen. Und das fanden sie erst ganz prima. Und dann wurden sie plötzlich unfreundlich."

"Wann? Wann genau? Los, sag es!"

"Ich glaube, als ich ihnen erzählt habe, dass wir der größte Stamm in der Gegend sind und immer zusammenhalten. Da wollten sie nicht mehr mit mir zusammen reisen und haben mich fort geschickt."

"Was glaubst du eigentlich, warum wir vor den anderen immer mit unseren Geistergeschichten prahlen?"

"Wegen … der … Geister?"

"Hast du hier schon mal einen Geist getroffen?"

"Nur die Ahnen."

"Außer den Ahnen meine ich: Einen richtig bösen Geist, vor dem man sich fürchten muss, wie in unseren Geister-Geschichten."

"Ich dachte, das ist ein Märchen?"

"Ge-nau, du Schlaumeier! Und weißt du, was das Märchen noch macht?"

"Keine Ahnung? Dass uns nicht langweilig wird? Darum erzählen wir doch Geschichten."

"Die Geistergeschichten halten uns neugierige Fremde vom Hals, du Trottel!"

"Tun sie gar nicht."

"Oh doch! Die meisten fürchten sich so sehr vor unseren Geistergeschichten, dass sie uns in Ruhe lassen und erst gar nicht hier her kommen."

"Aber diese Männer sind doch trotzdem gekommen?"

"Weil du ihnen erzählt hast, dass das alles Märchen sind, du Versager! Wie vielen hast du das noch erzählt? Wie vielen? Sag es mir!"

"Die anderen …"

"Welche anderen?"

"… die anderen denen ich das erzählt habe..."

"Du hast das noch anderen erzählt? Weißt du eigentlich, was ein Geheimnis ist?"

"Ja. Aber die anderen wollten das nicht glauben. Deshalb sind anscheinend nur zehn gekommen."

"Nur zehn?"

"Ja, die anderen haben nicht geglaubt, dass das nur Märchen sind. Die sind so ungebildet da unten."

"Nur zehn! Und die Tante von Adlerklaue ist jetzt tot, und der Bruder von Dampfender Pfannkuchen auch! Weil Deine Freunde nach dem Weg gefragt haben und sie zu Tode gefoltert haben, als die nicht reden wollten."

"Die waren nicht meine Freunde."

"Ach? Nicht?"

"Ich habe das doch nicht gewollt."

"Wir hätten beinahe einen Krieg mit den Nachbarn am Hals! Einen richtigen Krieg, mit richtigem Blut, nicht nur eine Kürbisprügelei. Die Nachbarn wussten jedenfalls sofort, warum die zehn Männer gekommen sind."

"Wenn ich das vorher gewusst hätte."

"Wenn du das vorher gewusst hättest wärst du erst gar nicht losgelaufen."

"Ja."

"Ich konnte Adlerklaue und Dampfender Pfannkuchen nur besänftigen, weil ich ihnen die Häute der zehn Mörder demütig überreicht habe. Fertig gegerbt. Demütig!"

"Ja."

"Und da musste ich mich noch für die Löcher entschuldigen, die beim Kampf rein gekommen waren. ICH! Dabei ist das nur passiert, weil die sich so verzweifelt gewehrt haben. Dieses feige Pack."

"Ja."

"War das erste mal, dass ich einen Menschen gehäutet habe. Gruselige Wünsche haben unsere Nachbarn. So kannte ich die gar nicht. Da weiß ich nicht, vor wem ich mich mehr fürchten soll."

"Vor wem?"

"Vor deinem Mörderpack oder vor Adlerklaue und Dampfender Pfannkuchen."

"Konntest du sie nicht lebendig abliefern?"

"Damit einer von denen ausbüchst und zu Hause erzählt, wo dein ganzes Gold herkommt? Bist du noch zu retten? Was denkst du denn? Dann kommen beim nächsten mal noch mehr von diesen Barbaren. Und ich habe schon vier Handvoll Kriegerinnen und Krieger gebraucht, um diese paar elenden Räuber erlegen. Ich bin froh, dass unsere Brüder und Schwestern überhaupt mitgemacht haben. Hätten sie ja nicht müssen. Was willst du übrigens mit denen machen?"

"Mit wem?"

"Na unsere Stammesbrüder, die alle geholfen haben, diese Pest wieder loszuwerden, die du da angeschleppt hast. Du wirst dich bedanken müssen."

"Ich?"

"Du."

"Ich weiß nicht..."

"Das war schließlich gefährlich."

"… was soll ich denn da…"

"Und hätte leicht ins Auge gehen können."

"… was kann ich denn machen…?"

"Und es war eklig. Menschen häuten."

"Eklig?"

"Tiere häutet man voll Ehrfurcht, weil man sie essen will, oder anziehen. Man verneigt sich vor ihren Ahnen und bittet sie um Verzeihung. Aber dieses gierige Gesindel... vor wem soll ich mich da verneigen? Also: Was willst du machen mit den Schwestern und Brüdern?"

"Was tun die anderen denn in so einem Fall?"

"Die haben solche Probleme nicht."

"Nicht?"

"Nie."

"Nie?"

"Nie! Morgen gehst du zu den Fynfzehnkilohant'l und bietest ihnen für ihr Bier alles an, was du hast."

"Ich?"

"Allerdings!"

"Aber die nehmen gar nicht alles. Die schlachten nicht gerne."

"Wenn sie die Tiere nicht selbst schlachten wollen bleibst du so lange da bis sie zufrieden sind."

"Aber... dann habe ich gar nichts mehr."

"Ist mir egal. Ich komme mit. Du bietest ihnen alles an, was du hast. Und du kommst mit genug Bier für die vier Handvoll Stammesbrüder zurück."

"Muss ich?"

"Allerdings! Und du bringst ausreichend Bier für ihre Familien mit."

"Aber..."

"… und genug Bier für alle ihre Freunde!"

"Aber so viele Vorräte habe ich gar nicht. Und Tiere auch nicht."

"Und wenn du dein ganzes restliches Leben dafür bei den Fynfzehnkilohant'l arbeiten musst! Immerhin lebst du noch!"

"Aber..."

"Keine Widerrede! Noch ein Wort und ich zieh dir auch das Fell ab und spanne deine jämmerliche Haut auf einen Rahmen! Ich habe grade Übung damit!"

"Ja."

"Versuch nicht, dich zu drücken! Ich komme mit!"

"Ja."

"… und dann sind wir dich hoffentlich erstmal wieder für eine Weile los."

"Ja."

28 Dezember 2009

Chronik der Kürbiskriege (35)

Geld und Gold (1)

Die Erfindung des Geldes wollte sich unter den Gesellschaften der indigenen Eingeborenen der kürbistragenden Gebiete nur schwer durchsetzen. Das lag einerseits einfach daran, dass abstrakte Werte ihnen insgesamt sehr fremd waren. Oder anders ausgedrückt: Daran, dass sie sehr praktisch dachten.

"Wo treibst du dich die ganze Zeit herum, Rauchender Haufen? Seit Ewigkeiten klopfe ich an deine Tür!"

Die Tür war diesmal keine Erfindung von Rauchender Haufen, aber als erster im Dorf hatte er sich eine nachgebaut. Mit genau solchen Einfällen trieb er seinen Häuptling zur Weißglut. Er wusste das, konnte aber nicht gegen seine Natur an.

"Sieh mal was ich gefunden habe!"

"Was denn?"

"Na sieh doch!"

"Schon wieder dieses Zeug! Was willst du denn damit?"

"Sieh doch, wie schön das jetzt schon glänzt!"

"Na und? Dafür ist es nichts wert."

"Anderswo schon."

"Aber hier nicht."

"Immer bist du so kleinlich!"

"Man kann es nicht essen. Man kann es nicht pflanzen. Man kann es nicht vermehren. Es taugt nicht als Medizin. Und für Werkzeug ist es zu weich."

"Aber man kann es schmelzen..."

"Na und? Kannst du mit Talg auch."

"… und man kann wunderschönen Schmuck daraus machen."

"Was spricht denn gegen Schmuck aus Tierknochen
, wie wir alle sie tragen? Aus Geweihen? Aus Adlerkrallen und Federn? Der Herr braucht wohl wieder was besonderes?"

"Naja. Aber es lässt sich ganz leicht bearbeiten."

"Auch nicht leichter als Knochen. Geweihe. Krallen und Federn."

"Aber man braucht es doch nur aufzusammeln."

"Und dafür stehst du stundenlang im eiskalten Wasser vom Bach. Und dann bringst du dieses Säckchen mit den winzigen Klümpchen mit."

"Aber diesmal ist das Säckchen faustgroß! Gold nennen sie das."

"Pah! Gold. Eine Sache die nichts wert ist braucht keinen Namen."

"Aber ich habe nur vorgestern, gestern und heute gebraucht um dieses Säckchen zu füllen. Dabei ist es angeblich so selten."

"In der Zeit hättest du dein Feld drei mal umgegraben."

"Anderswo ist das ganz viel wert, habe ich gehört."

"Wieso glaubst du solchen Blödsinn? Wieso soll das anderswo mehr wert sein als bei uns?"

"Na, weil das so selten ist?"

"Was hat das eine mit dem anderen zu tun?"

"Sachen, die selten sind, sind immer wertvoll!"

"Quatsch! Sternschnuppen sind auch selten. Sind sie deswegen wertvoll?"

"Sternschnuppen kannst du aber nicht anfassen!"

"Krankheiten sind auch selten, sind sie deswegen besonders wertvoll?"

"Krankheiten willst du aber nicht anfassen!"

"Zwillinge sind auch selten. Deswegen sind sie nicht wertvoller als Einzelkinder."

"Da wo die Sonne im Zenith steht sollen sie ganz verrückt sein nach diesem Zeug."

"Mag schon sein. Nur dass die Reise da hin drei Monde dauert. Und zurück läufst du nochmal drei Monde. Und was machst du, wenn sie sich da unten für dein Zeug nicht interessieren?"

"Dann komme ich halt so zurück und habe was von der Welt gesehen."

"So so. Und wovon willst du unterwegs leben?"

"Ich nehme ein Tier mit, oder zwei."

"Und von dem schneidest du dir eine Scheibe ab, wenn du Hunger kriegst."

"Naja. Nein. Ich tausche es, gegen was anderes wertvolles."

"Und das wäre?"

"Na, sagen wir, einen Schinken?"

"Dann kannst du auch gleich einen Schinken mitnehmen."

"Aber ich habe grade keinen Schinken."

"Aber verreisen wollen..."

"Ich kann unterwegs jagen gehen."

"Da werden sich die anderen Indianer freuen."

"Wieso, die bleiben doch hier?"

"Ich meine die, denen die Jagdgründe unterwegs gehören."

"Ach so, die."

"Genau. Die."

"Na, ich kann ja vorher fragen, die werden doch so ein kleines Karnickel entbehren können, oder einen Vogel vielleicht."

"Und wenn du sie vorher nicht triffst, aber trotzdem Hunger kriegst?"

"Dann frage ich sie eben hinterher."

"Die werden sich freuen: Wenn du sie mit dem Vogel aus ihrem Jagdgrund in der Hand fragst, ob du einen Vogel erlegen darfst. Womöglich ist der Vogel heilig. Oder selten. Und wertvoll. Und du hast den toten Vogel in der Hand und sprichst noch nicht mal ihre Sprache. Und dann fragst du sie, ob du vielleicht ihren wertvollen heiligen Vogel hättest jagen dürfen, ja?"

"Du bist ein Miesmacher."

"Und wenn da keine Vögel kommen auf deinem Weg?"

"Die Missionare leben auch von irgendwas unterwegs."

"Die hungern ja auch gern. Und schnorren sich durch. Und was willst du überhaupt da, wo die Sonne im Zenith steht, drei Monde von hier entfernt?"

"Na, ich tausche das Gold gegen irgendwas anderes wertvolles."

"Aber dann hast du keins mehr?"

"Ich kann ja hier neues suchen."

"Und was sollte so wertvoll sein, dass du es eintauschen würdest?"

"Naja, vielleicht … ein Schinken?"

"So. Ein Schinken. Wo dein ... Gold … so wertvoll ist."

"Vielleicht drei Schinken."

"Drei Schinken kannst du nicht tragen."

"Oder … vielleicht … so ein prächtiges Kleid?"

"Fehlt dir hier irgendwas?"

"Wieso?"

"Fehlt dir hier irgendwas, das du zum Leben brauchst?"

"Wieso? Nein. Wieso?"

"Und warum willst du dann ewig weit laufen, in eine Gegend, die du nicht kennst, und Sachen eintauschen, die du nicht brauchst?"

"Du bist ein Miesmacher. Gleich morgen ziehe ich los. Nein, übermorgen. Morgen mache ich das Säckchen noch voll."

"Dir ist nicht zu helfen. Aber wenn irgendwas schief geht: Wir helfen dir nicht, wie sonst immer. Da unten hören wir dich nicht..."

"Trotzdem!"

"… ist vielleicht auch ganz gut so."

24 Dezember 2009

Chonik der Kürbiskriege! (34)

Die Schrumpfpatat'l

VI.

Wenn man durch Lamavorführungen Geld einnahm, konnte man es im Grunde auch für verschiedene andere Zwecke einsetzen. Aber es war nichts dabei, was die Schrumpfpaptat’l mit ein wenig gutem Willen nicht auch selbst hätten erzeugen können. Bei genauer Betrachtung: Es erschien nichts wirklich wertvoll genug. Wenn sie einmal Geld bekamen, legten sie es deshalb in Bier an. Dies kam ihrer ohnehin fragwürdigen Arbeitsmoral allerdings nicht zugute.

23 Dezember 2009

Chonik der Kürbiskriege! (33)

Fortsetzung:

Die Schrumpfpatat'l

V.
Wenn die Kunde vom bevorstehenden Durchzug der nächsten Welle von Missionaren eintraf, fingen die Schrumpfpatat’l alle ihre Lamas ein und sperrten sie in einen nicht einsehbaren Pferch. Für einen kleinen Betrag aus der Spendenkasse der Missionare oder eine nahrhafte Sachspende gewährten sie ihnen aber Einblick in den Pferch, wo sie eine besonders läufige Lamastute und einen notorisch notgeilen Hengst zusammengesperrt hatten.

„Aber ich kann doch nicht aus der Spendenkasse...”

„Ich sage doch gar nicht, dass du etwas aus der Spendenkasse nehmen sollst. Wofür hältst du mich? Bin ich ein Strauchdieb, ein Spendenräuber? Du hast doch bestimmt auch selbst etwas verdient? Durch deiner Hände Arbeit, unterwegs?”

„Wer - ich?”

Das allerdings war eine haltlose Unterstellung - genau deshalb hatten ja die meisten die Priesterlaufbahn eingeschlagen.

„Ja, du! Du verstehst - was ist denn schon dabei? Es ist doch dasselbe Geld, ob nun durch deine eigene Arbeit oder vielleicht nicht. Hauptsächlich wollten die Spender doch sicher, dass es dir gut geht?”

„Ja, sicher, jetzt, wo du es sagst...”


Die Spender wollten vor allem eins: Die Missionare schnell loswerden. Also sammelten sich im Beutel mit der Zeit Gegenstände von Wert oder ein Geldbetrag, über dessen genaue Herkunft und auch Höhe niemand Bescheid wusste.

„Und dein Herr möchte das doch auch, oder?”

„Was?”

„Dass - es - dir - gut - geht!”

„Der Herr?”


Es war furchtbar mit ihnen, viele der jüngeren waren auch noch schwer von Begriff.

Aber immerhin die älteren wussten Bescheid, und um wenigstens ein klein wenig bedeutender und weltläufiger zu erscheinen, gaben sie die Geschichte weiter: Unter den Missionaren erzählte man sich ein abstoßendes Gerücht über die Vorführung von Lamapaarungen, und zwar allein zum Zweck der Erregung.

Diese Geschichte war so widerlich, dass sich fast jeder der Missionare selbst ein Bild davon machen wollte. Das Anbahnungsgespräch verlief eigentlich immer ziemlich gleich:

„Tut ihr das wirklich? Den Besuchern paarende Lamas zeigen?”

„Ja, klar, wir fressen auch kleine Kinder!”

„Nein!”

„Natürlich nicht!”

„... und ... wegen der Lamas...?”

„Ja?”

„Ich habe gehört, es ist anregend ...”

„So?”

„Aber... es ist doch so ... schmutzig...”

„Was soll daran schmutzig sein ... äääh: Was wäre denn
daran schmutzig?”

„Na, nur wegen der Erregung... und Paarungen...”

„Oh, ja, das ist so schmutzig - aber wenn man kleine Lamas haben will muss man da durch. Wir haben übrigens zufällig gerade heute eine läufige Stute da und brauchen neue Lamas. Und unser Hengst, der ist kaum zu bändigen. Willst du das vielleicht sehen? Aus rein wissenschaftlichen Gründen, versteht sich.”

„Wer - ich?”

„Ja - du! Du könntest dann viel besser beurteilen, ob es vielleicht schmutzig wäre...”

„Oh ja, sicher könnte ich das!”

„... wenn man es nur wegen der Erregung täte.”


Nach dieser Überzeugungsarbeit griff jeder Missionar bereitwillig in den Spendenbeutel und veruntreute dessen Inhalt. Schließlich wollten die Spender doch sicher auch, dass der Missionar sich bildet und lernt. Von seiner gierigen Erwartung der Vorführung ahnten sie sicher nichts.

„Aber du erzählst es doch niemandem?”

„Was?”

„Es ist nur ... wegen meiner anderen Kameraden ... wer weiß, ob sie das verstehen würden ... einige sind da so ... humorlos.”

„Hm.”


Für einen weiteren kleinen Beitrag erzählten die Schrumpfpatat'l den anderen Missionaren tatsächlich nichts davon. Aber das sagten sie dem jeweiligen Missionar erst nach der Vorstellung.

22 Dezember 2009

Chonik der Kürbiskriege! (32)


... eine seltene Möglichkeit, bequem an Geld oder Essen zu kommen ergab sich aber immer dann, wenn die Missionare durch ihre Gegend zogen, und sie waren deshalb fast schon willkommen: Die Missionare sahen ebenfalls gerne den Lamas bei der Paarung zu...

Fortsetzung:

Die Schrumpfpatat'l

IV.

Die Missionare vom weit entfernten Salzsee kamen immer in Wellen über das Land. Das hing mit dem Ausbildungszyklus ihrer „Hochschule für uralte Indianerwissenschaften und den richtigen Weg da hin” zusammen, die alle zwölf Mondumläufe eine neue Generation von angehenden Priestern hinaus in die Welt verstieß.

Zur Vorbereitung auf das echte Leben mussten sie sich auf die Wanderschaft begeben und sie durften erst nach weiteren zwölf Mondumläufen der Demut und Mission in ihre Heimat zurückkehren, um dann Dienst an den heimischen Glaubensbrüdern zu verrichten. Während dieser Wanderschaft wurde von ihnen ein asketisches und gottesfürchtiges Leben erwartet - und jedem war klar, dass niemand das kontrollieren konnte. "Vertrauen" wäre in diesem Zusammenhang nicht der zutreffende Begriff gewesen.

Priester wurde man unabhängig von einem bestimmten Alter, nämlich dann, wenn man die Stimme des Herrn vernommen hatte und sich berufen fühlte. Als Priester hatte man Anspruch auf Versorgung durch die „Heilige Stätte”, und diese wiederum speiste sich aus sogenannten Spenden der Gemeindemitglieder. Doch die sogenannten Spenden waren nicht vollkommen freiwillig, da ihre Höhe vom Heiligen Spendeneintreiber festgelegt wurde. Und der orientierte sich ausschließlich an seinem Augenmaß.

Viele Priester hatten vorher ein einfaches und hartes Leben in der kargen Landschaft am Salzsee geführt. Es gab nicht wenige, die nach dem Besuch des heiligen Spendeneintreibers gar keine andere Wahl hatten, als sich nach einem neuen Beruf umzusehen. Eine der gefragtesten Alternativen zur Tätigkeit des Indianers war der Priesterberuf - und damit wechselten sie die Seiten. Diesen Weg wählten gerne auch solche, deren Leben zu keinem Zeitpunkt ganz so hart gewesen war, die eine solche Erfahrung aber auch gar nicht erst machen wollten.

Den Missionaren eilte die Meldung von ihrer Ankunft immer weit voraus, da sie langweilig, rechthaberisch, unlogisch und insgesamt schrecklich unbeliebt waren. Die Missionare mochten ihr Interesse an der Lamapaarung nie eingestehen und achteten peinlich darauf, dass niemand von dieser Leidenschaft erfuhr.

„Du wirst es doch niemandem weitererzählen, oder?”


Praktischerweise kamen sie meist allein.

kostenloser Counter