40. Deutscher Krimipreis 2023

National

Preisträger:innen des 40. Deutschen Krimipreises 2023

1. Platz: Andreas Pflüger: Wie Sterben geht (Suhrkamp)

Winter 1983. Auf der Glienicker Brücke ist alles bereit für den spektakulärsten Agentenaustausch der Geschichte. KGB-Offizier Rem Kukura – Deckname Pilger – soll gegen den Sohn eines Politbüromitglieds ausgetauscht werden. Mittendrin: Nina Winter, die Kukura als Einzige identifizieren kann. Doch auf der Brücke wird Nina in ein Inferno gerissen, und das Schicksal von ihr und Rem wird zu einer Frage von Krieg und Frieden zwischen den Supermächten.

„So wie John le Carré in seinen Romanen zum erzählenden Kritiker der britischen Geheimdienste wurde, ist Andreas Pflüger zum Erzähler des deutschen Geheimdienstwesens geworden. Sechs Romane hat er bisher verfasst. […] Als Pflüger 2022 mit der Sprengung der Glienicker Brücke Nina buchstäblich ins kalte Wasser des Wannsees warf, hatte er drei Jahre lang keine Action mehr geschrieben. ‚Ich wusste nicht, ob ich das noch konnte.‘ Nun, er kann, und wie. Wie Sterben geht ist Andreas Pflügers bester Roman geworden: ausgetüftelte Action, lakonischer Witz, lyrisch verdichtete Sprache, teuflisch überraschender Plot – Spannung hoch drei.“
(Tobias Gohlis, Die Zeit)

2. Platz: Monika Geier: Antoniusfeuer (Ariadne/Argument)

Kriminalkommissarin Bettina Boll ist Ärgernisse gewöhnt, doch der jüngste Streich ihrer Dienststelle schmeckt bitter. Ein Tod im Jugendknast muss untersucht werden, die Behörden fürchten einen Skandal, und nun soll Bettina für ihren neuen Chef die Kohlen aus dem Feuer holen und einem Kollegen dazwischenfunken. Überdies erweist sich der Fall als ausnehmend verschroben. Gibt es wirklich katholische Dorf-Aktivisten, die Dämonen austreiben? Und was hat das berühmte Isenheimer Altarbild voller bunter Bestien damit zu tun?

„Es ist ein feines Gespinst, das Monika Geier in Antoniusfeuer errichtet, es wird zusammengehalten von den Ermittlungen und verbunden durch wiederkehrende Themen wie Vertrauen, Vorurteile, Verdrängung, aber auch verschiedene Arten von Gewalt und Missbrauch. In Antoniusfeuer ist sehr klar, dass jeglicher Glaube etwas Gutes haben kann – aber auch Schattenseiten hat, die überhandnehmen können. Bei alledem muss auch Bettina Boll darum kämpfen, ihren Glauben an die Menschlichkeit zu bewahren. Denn Dämonen findet man nicht nur in der katholischen Kirche, sondern auch in der Vergangenheit oder in der eigenen Familie.“
(Sonja Hartl, Deutschlandfunk Kultur)

3. Platz: Kim Koplin: Die Guten und die Toten (Suhrkamp)

Saad und seine kleine Tochter Leila leben unterm Radar in Berlin. Saad verdient sein Geld als Wächter in einem Charlottenburger Parkhaus, aus gutem Grund in der Nachtschicht. In diesem Parkhaus steht auch der Luxusschlitten des Staatssekretärs Brasch, der mit dem Waffenhändler Müller und undurchsichtigen Saudis fiese Geschäfte macht. Als Brasch betrunken und zugekokst einen Verkehrsunfall baut und man zu seiner Überraschung eine Leiche in seinem Kofferraum findet, ist das ein Fall für die junge Kriminalkommissarin Nihal Khigarian

„[W]orüber reden wir hier eigentlich? Allemal über einen überkandidelten, diversen, dazu politischen Thriller. Zwar hält sich Kim Koplin nicht groß mit Milieuschilderungen auf, doch hat man die Figuren auch so vor Augen, vor allem dank der den Sound der Straße und des Alltags ebenso wie den Sound der Politik abbildenden Dialoge. ‚Wer schneller ist!, ruft Leila. – Okay, ich zähle bis drei. Eins … Da ist Leila schon los.‘
Und auch Kim Koplin, wer auch immer sie ist, ist an jedem Satzende schon wieder los zu neuen Ufern, neuen unerhörten Ereignissen.“
(Silvia Staude, Frankfurter Rundschau)


International

Preisträger:innen des 40. Deutschen Krimipreises 2023

1. Platz: James Kestrel: Fünf Winter (Suhrkamp), deutsch von Stefan Lux

Dezember 1941: Joe McGrady, Detective beim Honolulu PD, wird mit der Untersuchung eines Falls beauftragt, der sein Leben für immer verändern wird: dem Mord an dem Neffen des Oberbefehlshabers der Pazifikflotte und dessen Freundin, einer jungen Japanerin. McGrady folgt einem Verdächtigen bis nach Hongkong, das gerade von den Japanern eingenommen wird. Er wird als Gefangener nach Japan verschleppt, als potenzieller Spion droht ihm der Tod. Gerettet wird er von dem Diplomaten Takahashi Kansei, der heimlich gegen die offizielle japanische Kriegspolitik arbeitet. Takahashi und seine Tochter Suchi verstecken McGrady bis zur Kapitulation Japans. McGrady kehrt nach Hawaii zurück und beginnt, nach nunmehr fünf Wintern und jetzt als Privatdetektiv, den alten Fall wiederaufzunehmen.

„[…] Fünf Winter ist filmisch, hat eine Nähe zum Film Noir. („Haben Sie schon mal versucht, sich von einer Frau scheiden zu lassen, die Sie nicht finden? – „Ich hab nicht mal versucht, eine zu heiraten.“) Schon auf Seite 18 steht eine Frau auf der obersten Stufe einer Treppe, vor dem hell erleuchteten Haus zeichnet sich ihre Silhouette ab. Einmal fühlt es sich für McGrady an, als säße er in einem Kino und schaue sich einen düsteren Film an. Und zum Showdown schafft der Böse sich ein perfektes Bühnenbild. Dieses Buch hallt nach, hinterlässt Bilder und Emotionen.
(Alf Mayer, CulturMag)

2. Platz: Megan Abbott: Aus der Balance (Pulp Master), deutsch von Karen Gerwig und Angelika Müller

Dara hat ihr Leben im Schatten ihrer glamourösen Mutter verbracht. Zusammen mit ihrer Schwester Marie und ihrem Ehemann Charlie – dem ehemaligen Starschüler ihrer Mutter – leitet Dara jetzt die Ballettschule, die ihre Mutter einst gründete. So kultiviert ihre geschlossene Welt auch sein mag, ist sie doch auch geprägt von rücksichtslosem Ehrgeiz und einem intensiven Wettbewerb, den die Schwestern zwischen ihren Elevinnen und Eleven befördern. Als nach einem Brand ein Bauunternehmer in ihr Leben tritt, um die Sanierung vorzunehmen, überwindet er die sorgsam bewachten Grenzen dieser Welt und setzt eine Kettenreaktion aus Verlangen, Verführung und Verrat in Gang.

„Präzise und schnörkellos erkundet die Autorin die toxischsten Abgründe von Familienstrukturen und Beziehungen, von Wünschen und Sehnsüchten. Dabei geht es um weit mehr als nur das Auseinanderfallen von hässlichem Sein und glänzendem Schein: Abbott zeigt das untrennbare Ineinander von Kunst und Kommerz, von Tradition und Moderne, Schönheit und Selbstzerstörung, Liebe und Hass, Sex und Gewalt. “
(Kirsten Reimers, Der Freitag)

3. Platz: Dennis Lehane: Sekunden der Gnade (Diogenes), deutsch von Malte Krutzsch

Boston, 1974. Die Stadt kocht. Künftig sollen schwarze Kinder mit Bussen in weiße Schulen gebracht werden und vice versa. Angst geht um und Hass. Eines Nachts kehrt Mary Pat Fennessys 17-jährige Tochter Jules nicht nach Hause zurück. Mary Pat beginnt Fragen zu stellen, stößt auf Schweigen und Widersprüche, bis sie versteht: Man hat ihr das Letzte genommen, was ihr in dieser Welt Halt gab. Außer sich vor Schmerz macht sie sich auf, um Rache zu nehmen an den Verantwortlichen – und um ihre eigene Schuld abzutragen. Um jeden Preis.

„In diesem Buch sind alle Zutaten, die man von Dennis Lehane erwartet: Es spielt in den weißen Arbeitervierteln von Boston, es gibt einen Cop, der im Krieg war, seine Drogensucht überwunden hat und nun die Chance auf eine Romanze bekommt. Und ein Elternteil, das sein Kind rächt. Mary Pat ist eine überzeugende Figur: Sie ist entschlossen, mutig, in ihrer Wut konsequent. Sie erkennt, dass es letztlich immer nur um zwei Dinge geht: Macht und Geld. Nicht nur im Umgang mit den vermeintlich Anderen, sondern auch innerhalb enger Gemeinschaften, die von Männern kontrolliert werden. Was passiert, wenn diese Männer merken, dass ihre Regeln sie nicht mehr schützen, schafft einen herrlichen bitterbösen Abschluss für ihren Rachefeldzug.“
(Sonja Hartl, CulturMag)


Die Jury: Volker Albers (Hamburger Krimifestival) / Andreas Ammer (ARD) / Claudia Denker (Buchhandlung Chatwins, Berlin) / Jens Dirksen (WAZ Kultur) / Monika Dobler (Krimibuchhandlung glatteis, München) / Christiane Dreiling (Buchladen Neusser Straße einzigundartig, Köln) / Joachim Feldmann (Kritiker) / Tobias Gohlis (Krimikolumnist Die ZEIT) / Günther Grosser (Kritiker) / Sonja Hartl (Kritikerin) / Cornelia Hüppe (Krimibuchhandlung Miss Marple, Berlin) / Reinhard Jahn (Bochumer Krimi Archiv) / Christian Koch (Krimibuchhandlung Hammett, Berlin) / Alf Mayer (Kritiker CrimeMag) / Torsten Meinicke (Buchladen in der Osterstraße, Hamburg), Peter Münder (Kritiker) / Ulrich Noller (WDR) / Michaela Pelz (krimi-forum.de) / Thomas Przybilka (BoKAS) / Kirsten Reimers (Kritikerin) / Robert Schekulin (Kritiker, Buchhändler) / Jan C. Schmidt (kaliber38.de) / Joachim Schneider-Sacotte (Kritiker) / Sylvia Staude (Frankfurter Rundschau) / Bettina Thienhaus (Kritikerin) / Jutta Wilkesmann (Krimibuchhandlung Die Wendeltreppe, Frankfurt) / Thomas Wörtche (Kritiker)

Die Kritiker:innen der Jury stimmen nicht für Titel, an deren Veröffentlichung sie aktiv beteiligt sind. Thomas Wörtche stimmt zudem ausdrücklich nicht für Titel des Suhrkamp Verlags.


Der Deutsche Krimipreis ist der älteste deutsche Krimipreis. Seit 1985 zeichnet eine Jury aus Krimi-Kritiker*innen, Literaturwissenschaftler*innen und Krimi-Buchhändler*innen die besten Kriminalromane des Jahres aus.

Mit dem Deutschen Krimipreis – vergeben in den Kategorien National und International – werden jeweils drei Romane gewürdigt, die inhaltlich originell und literarisch gekonnt dem Genre neue Impulse verleihen.

Der Deutsche Krimipreis ist undotiert und wird – ungewöhnlich in der Szene der Literaturpreise – in der Regel nicht öffentlich verliehen, sondern lediglich der Öffentlichkeit bekannt gegeben.

Auf dieser Seite finden Sie Informationen darüber, wer zur Jury gehört und wie die Teilnahmebedingungen sind. Außerdem können Sie sich über die Entstehung und Geschichte des Preises informieren.

Hier geht es zum Archiv: den Preisträgern von 1985 bis 2018 sowie zu den 119 besten Kriminalromanen aller Zeiten, die die von einer Jury ermittelt wurden.

Für alle Fragen, die nicht in der FAQ zum Deutschen Krimipreis beantwortet werden, gibt es die Möglichkeit, Kontakt mit der Organisatorin aufzunehmen.

39. Deutscher Krimipreis 2022

National

Die Preisträger:innen des 39. Deutschen Krimipreises 2022

1. Platz: Johannes Groschupf: Die Stunde der Hyänen (Suhrkamp)

In der Hauptstadt brennen seit Monaten nachts PKWs. Berliner Autofahrer fühlen sich allein gelassen und gehen in ihrem Kiez auf „Bürgerstreife“, während der polizeiliche Staatsschutz linken Unrat wittert. Die junge Polizistin Romina Winter ist gerade frisch zum Dezernat für Branddelikte versetzt worden und patrouilliert durch die nächtliche City. Durch die streift auch der Postbote Maurice Jaenisch, der ganz sicher weiß, dass die Stadt von Satan beherrscht wird. Auch Jette Geppert ist unterwegs. Sie ist Reporterin bei Kriminalprozessen in Moabit und ein Super Recognizer: Sie kann Gesichter zuverlässig wiedererkennen. Drei Menschen treiben durch die riesige Stadt, deren Nachtgesicht geheimnisvoll, faszinierend und brandgefährlich ist.

„Erpressung, Seelenzerstörung, Missbrauch – alles von Groschupf in klarer, erdnaher, bodenständiger Sprache gefasst. Sonst wären die Exzesse an psychischer Gewalt und Verrat nicht zu ertragen. Der Kampf aller gegen alle um einen Hauch Anerkennung, um einen Fleck, an dem sie sie sein können, endet wie im Märchen: in einem reinigenden Feuer. In dessen Rauch das Böse sich auflöst. (…) Johannes Groschupf hat nach ‚Berlin Prepper‘ und ‚Berlin Heat‘ in seinem dritten Kriminalroman einen neuen Weg eingeschlagen, und der führt zu ganz Großem.“ (Tobias Gohlis, Deutschlandfunk Kultur)

2. Platz: Oliver Bottini: Einmal noch sterben (Dumont)

Februar 2003. Nach den Anschlägen von New York steht der Krieg gegen den Terror vor einem weiteren Höhepunkt: Die USA und ihre Verbündeten bereiten sich darauf vor, in den Irak einzumarschieren. BND Agent Frank Jaromin ist gerade von einem Einsatz in Bosnien zurückgekehrt, da kommt ein hochbrisanter Auftrag aus dem Kanzleramt: Eine irakische Regimegegnerin behauptet, die Vorwürfe, die den Krieg legitimieren sollen, seien erfunden, es gebe im Irak nachweislich keine Massenvernichtungswaffen. Der BND schickt Frank Jaromin in geheimer Mission nach Bagdad, um die Beweise der Dissidentin zu sichern und den Krieg im letzten Moment zu verhindern. Das aber liegt nicht im Interesse einer Gruppe einflussreicher Akteure.

„Unter der reichlich vorhandenen Action und den oft herzzerreißenden Schicksalen der Figuren liegt ein bitterböser Kommentar zu den politischen Verhältnissen, bei dem das ‚damals‘ ganz schnell zum ‚heute‘ wird, wenn man (…) die Mechanismen von Weltpolitik aus einer fiktionalen Perspektive betrachtet (…). Oliver Bottinis unaufgeregte, sachliche Prosa verzichtet auf sensationsheischende Hysterie, Cheap Thrills und vor allem auf die verschwörungstheoretische Gewissheit, dass in Wirklichkeit alles genau so verlaufen sei. Das alles macht ‚Einmal noch sterben‘ zu einem hervorragenden Roman.“ (Thomas Wörtche, Deutschlandfunk Kultur)

3. Platz: Sybille Ruge: Davenport 160×90 (Suhrkamp)

Frankfurt am Main: Sonja Slanski betreibt eine Inkassofirma, die sich auch um andere Dinge im unreinlichen Wirtschaftsbereich kümmert. Von einer undurchsichtigen Society-Lady bekommt sie den Auftrag, eine hochkriminelle Anwaltskanzlei zu ruinieren, egal, mit welchen Mitteln. Slanski erledigt diesen Job ziemlich gründlich, noch nicht wissend, dass diese Klientin die Gattin ihres Gelegenheitslovers ist. Überraschend taucht ihre Halbschwester Luna auf. Als Luna einige Zeit später tot in Slanskis Wohnung liegt, weiß Slanski nicht, ob nicht eigentlich sie gemeint war. Und zu allem Überfluss soll sie auch noch für die Polizei undercover weiter gegen einen fiesen Filz aus Anwälten und Industriellen ermitteln.

„Diese Frau kann schreiben. Und wie. Große Verneigung. (…) Sybille Ruge, Lyrikerin, Schauspielerin, Kostümbildnerin und Schöpferin edler Textilien mit Interesse an Raumfahrt, Soziologie und den Texten von Heiner Müller – so ihre Kurzbiografie – liefert uns diese Figur [der Sonja Slanksi]. Serviert sie uns mit dem coolsten Buchauftakt seit Eric Amblers (…) ‚Mit der Zeit‘. (…) Ihr Buch ist ein höchst vergnüglicher, extrem unterhaltsamer und bewundernswert intelligenter Ritt auf der Rasierklinge, viele ihrer Sätze zum Schneiden scharf.“ (Alf Mayer, CulturMag)


International

Die Preisträger:innen des 39. Deutschen Krimipreises, Kategorie International

1. Platz: Riku Onda: Die Aosawa-Morde (Atrium). Deutsch von Nora Bartels

An einem stürmischen Sommertag veranstaltet die Familie Aosawa ein rauschendes Fest. Doch die Feier verwandelt sich in eine Tragödie, als siebzehn Menschen durch Zyanid in ihren Getränken sterben. Die einzige Unversehrte ist Hisako, die blinde Tochter des Hauses. Kurz darauf begeht der Mann, der die Getränke lieferte, Selbstmord und besiegelt damit scheinbar seine Schuld, während seine Motive im Dunkeln bleiben. Jahre später versuchen die Autorin eines Buches über das Verbrechen und ein Ermittler, der Wahrheit auf die Spur zu kommen. Doch die Wahrheit ist immer nur das, was wir aus unserer Perspektive sehen …

„(…) durch Gespräche mit Menschen im Umfeld der damaligen Ermittlungen (wird versucht) herauszufinden, was tatsächlich geschehen ist. (…). Auch die Gespräche selbst sind ein Rätsel: Es sind nur die Antworten nachzulesen. Man weiß nicht, wer fragt und wer antwortet. (…) Diese narrative Struktur ist mutig, innovativ und überzeugend. Onda liefert bis zum Ende ihres Romans keine Eindeutigkeiten, stattdessen bleibt bei Details offen, ob sie ein Zufall oder ein Indiz sind. Die Wahrheit über die Giftmorde sucht man vergebens.“ (Sonja Hartl, Deutschlandfunk Kultur)

2. Platz: Jacob Ross: Die Knochenleser (Suhrkamp). Deutsch von Karin Diemerling

Camoha, eine Insel der Kleinen Antillen: Dort wird der junge Michael „Digger“ Digson  von dem mysteriösen Detective Superintendent Chilman für eine Polizeitruppe rekrutiert, die gegen alle Korruption und alle politischen Widerstände effektive Polizeiarbeit leisten soll. Digger lässt sich zum Forensiker ausbilden und wird ein Virtuose des „Knochenlesens“. Zudem ist er auf der Suche nach seiner Mutter, die spurlos verschwunden und vermutlich ermordet worden ist. Auch Chilman hat seine Gründe, dem Verschwinden bestimmter Personen nachzugehen, wird doch die Insel von Wellen frauenfeindlicher Gewalt und gewalttätigem Terror gegen die Bevölkerung erschüttert.

„Wie bei jedem guten Kriminalroman der Welt kommt es auch bei ‚Die Knochenleser‘ viel weniger auf die Handlung an, als auf Atmosphäre, aufs Riechen, Hören, Schmecken, auf Differenzierung, Tiefe, nuancierten Erzählton. Nichts ist hier hochgestochen, auf Effekt oder Informationstransport hingeschrieben. Manchmal stutzt man als Leserin kurz, aber dann erklärt sich auch ein Wort wie ‚Verrennsic‘ – und macht Vergnügen (…).“ (Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau)

3. Platz: Cherie Jones: Wie die einarmige Schwester das Haus fegt (CulturBooks). Deutsch von Karen Gerwig

Die Legende von der einarmigen Schwester sollte Lala eigentlich davor warnen, was mit Mädchen geschieht, die ihren Müttern nicht gehorchen. Doch für Lala ist es die verheißungsvolle Geschichte einer Abenteurerin, und als sie erwachsen ist und auf schreckliche Weise ein Baby verliert, schöpft sie daraus Hoffnung auf ein besseres Leben, weit weg von der Armut, weit weg von Adan, ihrem brutalen Mann. Dieser ist ein charismatischer, aber gewissenloser Kleinkrimineller, dessen Einbruch in eine der Strandvillen eine Kette von furchtbaren Ereignissen auslöst: ein Schuss, den niemand hören sollte. Ein Mord, der alles verändert und der auch Lala an einen Wendepunkt führt:

„Die Wörter prasseln beim Lesen auf einen ein, es gibt in der hervorragenden Übersetzung von Karen Gerwig kein Entrinnen. (…) ‚Wie die einarmige Schwester das Haus fegt‘ besticht durch seine Sprache, Unmittelbarkeit und Komplexität – Gewalt gegen Frauen ist hier kein bloßes Mittel, es geht nicht um den Effekt.“ (Sonja Hartl, CulturMag)


Die Jury: Volker Albers (Hamburger Krimifestival) / Andreas Ammer (ARD) / Claudia Denker (Buchhandlung Chatwins, Berlin) / Jens Dirksen (WAZ Kultur) / Monika Dobler (Krimibuchhandlung glatteis, München) / Christiane Dreiling (Buchladen Neusser Straße einzigundartig, Köln) / Joachim Feldmann (Kritiker) / Tobias Gohlis (Krimikolumnist Die ZEIT) / Günther Grosser (Kritiker) / Sonja Hartl (Kritikerin) / Cornelia Hüppe (Krimibuchhandlung Miss Marple, Berlin) / Reinhard Jahn (Bochumer Krimi Archiv) / Christian Koch (Krimibuchhandlung Hammett, Berlin) / Alf Mayer (Kritiker CrimeMag) / Torsten Meinicke (Buchladen in der Osterstraße, Hamburg), Peter Münder (Kritiker) / Ulrich Noller (WDR) / Michaela Pelz (krimi-forum.de) / Thomas Przybilka (BoKAS) / Kirsten Reimers (Kritikerin) / Robert Schekulin (Kritiker, Buchhändler) / Jan C. Schmidt (kaliber38.de) / Joachim Schneider-Sacotte (Kritiker) / Sylvia Staude (Frankfurter Rundschau) / Bettina Thienhaus (Kritikerin) / Jutta Wilkesmann (Krimibuchhandlung Die Wendeltreppe, Frankfurt) / Thomas Wörtche (Kritiker)

Die Kritiker:innen der Jury stimmen nicht für Titel, an deren Veröffentlichung sie aktiv beteiligt sind. Thomas Wörtche stimmt zudem ausdrücklich nicht für Titel des Suhrkamp Verlags.


Der Deutsche Krimipreis ist der älteste deutsche Krimipreis. Seit 1985 zeichnet eine Jury aus Krimi-Kritiker*innen, Literaturwissenschaftler*innen und Krimi-Buchhändler*innen die besten Kriminalromane des Jahres aus.

Mit dem Deutschen Krimipreis – vergeben in den Kategorien National und International – werden jeweils drei Romane gewürdigt, die inhaltlich originell und literarisch gekonnt dem Genre neue Impulse verleihen.

Der Deutsche Krimipreis ist undotiert und wird – ungewöhnlich in der Szene der Literaturpreise – in der Regel nicht öffentlich verliehen, sondern lediglich der Öffentlichkeit bekannt gegeben.

Auf dieser Seite finden Sie Informationen darüber, wer zur Jury gehört und wie die Teilnahmebedingungen sind. Außerdem können Sie sich über die Entstehung und Geschichte des Preises informieren.

Hier geht es zum Archiv: den Preisträgern von 1985 bis 2018 sowie zu den 119 besten Kriminalromanen aller Zeiten, die die von einer Jury ermittelt wurden.

Für alle Fragen, die nicht in der FAQ zum Deutschen Krimipreis beantwortet werden, gibt es die Möglichkeit, Kontakt mit der Organisatorin aufzunehmen.

38. Deutscher Krimipreis 2021

National

Preisträgerinnen des Deutschen Krimipreis 2021 - Kategorie "National"

1. Platz: Merle Kröger: Die Experten (Suhrkamp)

Die sechziger Jahre. Adolf Eichmann wird in Jerusalem zum Tode verurteilt. Konrad Adenauer sagt Militärhilfe für Israel zu. Gleichzeitig jedoch zieht es deutsche Flugzeugkonstrukteure, Triebwerksbauer und Raketentechniker in großer Zahl nach Ägypten. Merle Kröger erzählt in ihrem vielstimmigen Thriller „Die Experten“ von einem deutschen Wissenschaftler, der in Ägypten Jagdflugzeuge baut, und von einer Familie, die im Nahen Osten zwischen die Fronten der Nachkriegszeit gerät.

„Es ist bemerkenswert, wie Merle Kröger das Private mit dem Politischen verbindet. (…) In dieser Familiengeschichte, in diesem Thriller zeigt sich das Verdrängte, über das bis heute nicht gesprochen wird: Das betrifft die großen Kontinuitäten in der Politik. Entscheidungen, die damals in den Anfangsjahren der BRD getroffen wurden, haben noch heute Folgen. Das betrifft Kontinuitäten in der Forschung, in Kultureinrichtungen, in Unternehmen und in der Frage, woher eigentlich welches Kapital kommt. Aber es sind auch Kontinuitäten in den Familien. Der Politthriller soll die Wahrheit hinter der Wahrheit aufdecken, Merle Krögers ‚Die Experten‘ macht deutlich, dass es viele Wahrheiten gibt.“ (Sonja Hartl, Zeilenkino)

2. Platz: Johannes Groschupf: Berlin Heat (Suhrkamp)

Berlin ist kochend heiß im ersten Sommer nach der Pandemie. Die Touristen sind zurück in der Party City, überall wird exzessiv gefeiert, die Menschen genießen die Zeit nach dem Lockdown. Gut für Tom Lohoff, der für das Partyvolk aus aller Welt Wohnungen, Drogen aller Art, Sex und Zugang zu Top-Clubs im Angebot hat. Auch politisch geht es in der Stadt heiß her. In ein paar Wochen sind Bundestagswahlen, die Rechten inszenieren die Entführung eines ihrer Politiker als False-Flag-Operation, um auf Stimmenfang zu gehen, und Tom hat ihnen versehentlich eine seiner Wohnungen vermietet. Die Dinge geraten außer Kontrolle.

„Johannes Groschupf jagt seinen zweischneidigen Helden, dem bald die halbe Stadt auf den Fersen ist, so packend wie unterhaltsam von einem Schlamassel in den nächsten – und nutzt die Gelegenheit dieser wilden Hatz für ein flirrendes Großstadtportrait der besonderen Art: Im tropischen Sommer dieses Jahres 2021 ist Corona mehr oder minder überwunden, die Bundestagswahl steht vor der Tür, und die Metropolenbewohner lassen es nach anderthalb Jahren Isolation so richtig krachen. (…) ‚Berlin Heat‘ ist jedenfalls ein höchst gegenwärtiger (Polit-) Thriller mit Biss, Witz und Verstand, der mit großer Lust das Leben feiert. Auch wenn das mitunter einen hohen Preis kostet.“ (Ulrich Noller, WDR)

3. Platz: Susanne Saygin: Crash (Heyne)

Torsten Wolf steht unter Druck. Nach dem überraschenden Tod des Bauunternehmers Christof Nolden soll der Berliner Anwalt nun dessen Geschäfte lenken. Aber Wolf stößt im deutschlandweit agierenden Nolden-Konzern bald auf Ungereimtheiten (…). Gemeinsam mit Isa Kurzeck versucht Wolf Licht ins Dunkel zu bringen. Aber je tiefer die beiden in die Konzernstrukturen eintauchen, desto deutlicher wird, dass es längst nicht mehr um die Geschicke eines Unternehmens geht, sondern um den Zusammenhalt unserer ganzen Gesellschaft.

„Saygins Thriller ‚Crash‘ ist grelle Anklage, Karikatur einer Clique aus Politik und Wirtschaft, die nicht nur gnaden- und skrupellos auf Bereicherung aus ist, sondern auch auf Machtergreifung im Ungeist eines neuen Hightech-Nationalismus. In ihrem Roman balanciert Saygin auf der Grenze zwischen naturalistischer Darstellung von Verkommenheit und satirischer Überzeichnung. Diesen Ritt auf der stilistischen Rasierklinge reflektiert sie erzählerisch in einer pervertierten Kunstaktion zwischen Werbung und kollektiver Massenbeeinflussung (…). ‚Crash‘ ist Berlin Noir grotesk: je lascher die Politik, desto wilder der Krimi.“ (Tobias Gohlis, Deutschlandfunk Kultur)


International

Preisträgerinnen des Deutschen Krimipreises 2021 - Kategorie "International"

1. Platz: David Peace: Tokio, neue Stadt (Liebeskind). Deutsch von Peter Torberg

Tokio im Jahr 1949, Japan unter US-amerikanischer Besatzung. Sadanori Shimoyama, der Präsident der nationalen Eisenbahngesellschaft, wird tot auf den Bahngleisen aufgefunden. Er hatte kurz davorgestanden, zehntausende Mitarbeiter entlassen zu müssen. Die Tokioer Polizei würde seinen Tod gern als Suizid aufgrund des hohen beruflichen Drucks abhaken. Den Amerikanern hingegen wäre ein Mord durch die Gewerkschaften lieber, weil ihnen das beim Zurückdrängen der Kommunisten in die Hand spielen würde.

„Die Sprache, die der Autor wählt, ist nüchtern und schlicht, er beobachtet genau und schildert Alltagshandlungen detailliert. Und doch ist diese Kargheit durchlässig: Wahn und Traum verschwimmen, öffnen sich der Geisterwelt und lassen die Toten und die Vergangenheit in die Gegenwart eindringen. (…) David Peace macht es seinen Leser:innen nicht leicht. Seine Bücher sind dunkel und verstörend, sie widersetzen sich Eindeutigkeiten und Konventionen, ‚Tokio, neue Stadt‘ macht da keine Ausnahme. Es ist voller Wut und Ekel. Und doch entfaltet es einen Sog und eine sprachliche Wucht, eine grimmige Schönheit, der man sich nicht entziehen kann.“ (Kirsten Reimers, Deutschlandfunk)

2. Platz: Colin Niel: Nur die Tiere (Lenos). Deutsch von Anne Thomas

Évelyne Ducat verschwindet eines Tages spurlos, und das Städtchen im französischen Zentralmassiv rätselt. Es kursieren Gerüchte und Beobachtungen. Doch nicht alles wird der Polizei preisgegeben, denn hier in der abgeschiedenen Bergwelt hüten die Menschen ihre Geheimnisse. (…) Mit jedem Kapitel erhält eine andere Person das Wort, und ein neues Geheimnis, ein neuer Verdacht taucht auf, bis sich das Puzzle um Évelyne Ducats Verschwinden zusammenfügt.

„Colin Niels’ Roman ‚Nur die Tiere‘ ist eine Art Plot-Wunder (…), (…) ein schönes Beispiel, wie man den guten alten Whodunnit sinnvoll wiederbeleben und gleichzeitig demontieren kann, weil es keinen Masterplan gibt, und in dieser Welt, die der Roman schildert, auch gar nicht möglich wäre. Wie Niel die fünf Perspektiven so montiert, dass am Ende kein Rashomon-Effekt entsteht, sondern Zufall und Irrtum erzählbar werden, und es tatsächlich eine Wahrheit gibt, ist große Handwerkskunst – die aber nur so brillant funktionieren kann, weil hier eine substanzielle Geschichte erzählt wird, die einen wirklichen ‚Sitz im Leben‘ hat.“ Thomas Wörtche, Deutschlandfunk Kultur)

3. Platz: Garry Disher: Moder (Pulp Master). Deutsch von Ango Laina und Angelika Müller

Wyatt stiehlt. Und das ziemlich gut, denn er ist vorsichtig wie eh und je, effizient und erfinderisch. Bei der Auswahl seiner Jobs greift er diesmal auf einen Informanten im Knast zurück, der direkt an der Quelle sitzt: Sam Kramer. Bis zu dessen Entlassung kümmert sich Wyatt im Gegenzug um Kramers Familie. Doch der Afghanistan-Veteran Nick Lazar erfährt von dieser Vereinbarung. Lazar erfährt zudem, dass Kramer zu Ohren gekommen ist, dass dem schlitzohrigen Finanzberater Jack Tremayne eine satte Anklage ins Haus steht und ein Koffer mit einer Million schon griffbereit ist: Tremayne will die Flatter machen …

„Man muss Wyatt nicht mögen, um Dishers Wyatt-Romane (inzwischen sind es neun) hinreißend spannend, ja vergnüglich zu finden, da sie den Diebstahl und seine Vorbereitung Zug um Zug wie ein Schachspiel inszenieren. Entscheidend ist auch bei ‚Moder‘ wieder (…), wie ausnehmend fein die Zahnrädchen der Planung und Handlung ineinandergreifen. Denn Wyatt ist kein Draufgänger und Vabanque-Spieler, kühl kalkuliert er noch den unwahrscheinlichsten Zwischenfall sowie Zufall mit ein und versucht, sich auch dafür ein Hintertürchen offen zu halten. (…) Aber es wäre ein langweiliger Thriller, wenn Wyatts penible Planungen tatsächlich aufgingen.“ (Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau)


Die Jury: Volker Albers (Hamburger Krimifestival) / Andreas Ammer (ARD) / Claudia Denker (Buchhandlung Chatwins, Berlin) / Jens Dirksen (WAZ Kultur) / Monika Dobler (Krimibuchhandlung Glatteis, München) / Christiane Dreiling (Buchladen Neusser Straße einzigundartig, Köln) / Joachim Feldmann (Kritiker) / Tobias Gohlis (Krimikolumnist Die ZEIT) / Günther Grosser (Kritiker) / Sonja Hartl (Kritikerin) / Cornelia Hüppe (Krimibuchhandlung Miss Marple, Berlin) / Reinhard Jahn (Bochumer Krimi Archiv) / Hermann Kling (Kritiker) / Christian Koch (Krimibuchhandlung Hammett, Berlin) / Alf Mayer (Kritiker CrimeMag) / Torsten Meinicke (Buchladen in der Osterstraße, Hamburg), Peter Münder (Kritiker) / Ulrich Noller (WDR) / Michaela Pelz (krimi-forum.de) / Kirsten Reimers (Kritikerin) / Robert Schekulin (Kritiker, Buchhändler) / Jan C. Schmidt (kaliber38.de) / Joachim Schneider-Sacotte (Kritiker) / Sylvia Staude (Frankfurter Rundschau) / Bettina Thienhaus (Kritikerin) / Jutta Wilkesmann (Krimibuchhandlung Die Wendeltreppe, Frankfurt) / Thomas Wörtche (Kritiker)

Die Kritiker:innen der Jury stimmen nicht für Titel, an deren Veröffentlichung sie aktiv beteiligt sind. Thomas Wörtche stimmt zudem nicht für Titel des Suhrkamp Verlags.


Der Deutsche Krimipreis ist der älteste deutsche Krimipreis. Seit 1985 zeichnet eine Jury aus Krimi-Kritiker*innen, Literaturwissenschaftler*innen und Krimi-Buchhändler*innen die besten Kriminalromane des Jahres aus.

Mit dem Deutschen Krimipreis – vergeben in den Kategorien National und International – werden jeweils drei Romane gewürdigt, die inhaltlich originell und literarisch gekonnt dem Genre neue Impulse verleihen.

Der Deutsche Krimipreis ist undotiert und wird – ungewöhnlich in der Szene der Literaturpreise – in der Regel nicht öffentlich verliehen, sondern lediglich der Öffentlichkeit bekannt gegeben.

Auf dieser Seite finden Sie Informationen darüber, wer zur Jury gehört und wie die Teilnahmebedingungen sind. Außerdem können Sie sich über die Entstehung und Geschichte des Preises informieren.

Hier geht es zum Archiv: den Preisträgern von 1985 bis 2018 sowie zu den 119 besten Kriminalromanen aller Zeiten, die die von einer Jury ermittelt wurden.

Für alle Fragen, die nicht in der FAQ zum Deutschen Krimipreis beantwortet werden, gibt es die Möglichkeit, Kontakt mit der Organisatorin aufzunehmen.

37. Deutscher Krimipreis 2020

National

1. Platz: Zoë Beck: Paradise City (Suhrkamp)

Deutschland in der Zukunft. Die Küsten sind überschwemmt, weite Teile des Landes sind entvölkert, und die Natur erobert sich verlassene Ortschaften zurück. Berlin ist nur noch eine Kulisse für Touristen. Regierungssitz ist Frankfurt, das mit dem gesamten Rhein-Main-Gebiet zu einer einzigen Megacity verschmolzen ist. Dort, wo es eine Infrastruktur gibt, funktioniert sie einwandfrei. Nahezu das gesamte Leben wird von Algorithmen gesteuert. Allen geht es gut – solange sie keine Fragen stellen.

Von „sehr gesunden Menschen und hässlichen Wahrheiten“: „In diesem wirklichkeitsnahen Zukunftsszenario sind Freiheit, Wahrheit und Selbstbestimmung der Preis, den Menschen für bequeme Versorgung und ihren bequemen Glauben an ein funktionierendes System zu zahlen haben. Und die erschreckende Erkenntnis ist, dass manchen dieser Preis offenbar nicht zu hoch ist.“ (Sonja Hartl, Deutschlandfunk Kultur)

2. Platz: Max Annas: Morduntersuchungskommission. Der Fall Melchior Nikoleit(Rowohlt)

Jena, 1985. Ein junger Mann ist ermordet worden. Ein Punker, so nennen sich diese Gestalten, die vom sozialistischen Staatswesen so schwer auf Linie zu bringen sind. Die Ermittler der Morduntersuchungskommission um Oberleutnant Otto Castorp nehmen schnell den Vater des Opfers ins Visier, einen Antiquitätenhändler mit Westkontakt, der dem Arbeiter- und Bauernstaat feindselig gegenüber steht. Der Ermordete, das weiß Castorp, hatte sich als Informeller Mitarbeiter bei der Staatssicherheit verpflichtet. Zudem scheint der Fall auch mit einer Einbruchsserie in der Stadt zu tun zu haben. Und mit alten Geschichten. Sehr alten, sehr finsteren Geschichten – sie reichen zurück in die Zeit vor 1945.

„Bis in die Details hinein ist die Geschichte, die er uns erzählt, DDR 1985 – und damit zugleich ein kompaktes, starkes Kapitel der nie endenden großen Erzählung von Unordnung und Gewalt.“ (Tobias Gohlis, Deutschlandfunk Kultur)

3. Platz: Frank Göhre: Verdammte Liebe Amsterdam(CulturBooks)

Ein Toter auf einem Autobahnrastplatz, eine verschwundene Fünfzehnjährige, korrupte Polizisten – und mittendrin ein Mann, der wissen will, warum sein Bruder sterben musste. Zehn Jahre nach seinem letzten Roman zeigt sich der zweifache Gewinner des Deutschen Krimipreises auf der Höhe seines Könnens. Ein rasantes Roadmovie zwischen Hamburg, Köln und Amsterdam.

„Göhre erzählt knapp, auf den Punkt, ohne aufwendige Kunstgriffe, aber mit hohem Bewusstsein dafür, was er tut. Die Lakonie und Ironie, die grimmige Komik des Textes sind nicht unterstrichen, sie sind wie beiläufig eingearbeitet und wirken genau deswegen. Die politische Dimension … steckt in seiner literarischen Haltung … sein Blick ist der Blick ‚von unten‘. Göhre ist vielleicht der letzte deutsche Hardboiled-Autor – und er ist so gut, wie er am Anfang seiner Karriere war.“ (Thomas Wörtche, Deutschlandfunk Kultur)


International

1. Platz: Denise Mina: Götter und Tiere (Argument/Ariadne)

Mit einem fremden kleinen Jungen im Arm hockt Martin im Glasgower Dezemberregen auf einer Bordsteinkante. Beide sind blutbespritzt und halb taub. Doch im Gegensatz zum Großvater des Jungen leben sie noch. Ein Überfall auf eine Postfiliale endet im Blutbad. Martin, selbst noch unter Schock, muss jetzt einige Fragen beantworten. Schon seine Herkunft gibt Kriminalermittlerin Alex Morrow Rätsel auf, und auch sonst scheint der junge Mann ein besonders undurchsichtiger Typ zu sein. Was bedeuten die seltsamen Tattoos, die er trägt? Und warum steht auf seinem Hals Beasts – Tiere?

„Denise Mina nutzt diesen Fall als Aufhänger, um die Glasgower Stadtgesellschaft zu skizzieren und auch zu sezieren, dabei zieht sie einen Bogen von Kleine-Leute-Milieus über Politik und Polizei natürlich bis hin zum organisierten Verbrechen, und zwar mit jeder Menge spektakulärer Wendungen bis ganz zum Schluss. Reife, intelligente Kriminalliteratur vom Feinsten; die Schottin Denise Mina gehört zu den besten GenrekünstlerInnen Europas.“ (Ulrich Noller, WDR/Cosmo)

2. Platz: Garry Disher: Hope Hill Drive (Unionsverlag)

Die Dezemberhitze brennt auf die trockenen Felder und den flimmernden Asphalt im australischen Tiverton. Constable Paul Hirschhausen leitet die Polizeistation der Kleinstadt im staubigen Niemandsland. Bagatelldiebstähle, Trunkenheit am Steuer – Hirsch hat nicht allzu viel zu tun. Bis ein Pferdemassaker die Anwohner erschüttert und dem Constable Rätsel aufgibt. Die Medien wittern eine Story und fallen in Tiverton ein. Hirsch muss die Gemüter beruhigen, doch als auch noch eine Leiche gefunden wird, überschlagen sich die Ereignisse. Hinter den rostigen Gattern der entlegenen Farmen stößt Hirsch auf schlummernde Leidenschaften und explosive Gewalt.

„Die Balance zwischen Realismus und moderater Action ist perfekt. Und wieder einmal zeichnet Garry Disher ein differenziertes Gesellschaftsbild aus dem abgelegenen Australien, wo sich nicht nur Kängurus und Giftschlangen Gute Nacht sagen, sondern auch Menschen aller Charakter-Schattierungen.“ (Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau)

3. Platz: Young-ha Kim: Aufzeichnungen eines Serienmörders (cass verlag)

Tierarzt Byongsu Kim ist „pensionierter“ Serienmörder. Er verbringt seine Zeit damit, Klassiker zu lesen und Gedichte zu schreiben. Kurz nachdem er in seinem Viertel einem Mann begegnet, den er als seinesgleichen erkennt, wird bei ihm beginnende Demenz diagnostiziert. Um seine Tochter zu beschützen, plant der alte Mann, mit seinem schwindenden Gedächtnis kämpfend, einen letzten Mord.

„Es ist ein tiefschwarzhumoriges Nachdenken über das Leben und das Sterben, das man in ‚Aufzeichnungen eines Serienmörders‘ findet. Es geht um den Stellenwert von Kunst, es gibt Seitenhiebe auf beliebte Serienmörder-Topoi – und eine langsame Auflösung der Hauptfigur. Sehr, sehr lesenswert!“ (Sonja Hartl, Zeilenkino)


Die Jury: Volker Albers (Hamburger Krimifestival) / Andreas Ammer (ARD) / Claudia Denker (Buchhandlung Chatwins, Berlin) / Jens Dirksen (WAZ Kultur) / Monika Dobler (Krimibuchhandlung Glatteis, München) / Christiane Dreiling (Buchladen Neusser Straße einzigundartig, Köln) / Joachim Feldmann (Kritiker) / Tobias Gohlis (Krimikolumnist Die ZEIT) / Günther Grosser (Kritiker) / Sonja Hartl (Kritikerin) / Cornelia Hüppe (Krimibuchhandlung Miss Marple, Berlin) / Reinhard Jahn (Bochumer Krimi Archiv) / Christian Koch (Krimibuchhandlung Hammett, Berlin) / Alf Mayer (Kritiker CrimeMag) / Torsten Meinicke (Buchladen in der Osterstraße, Hamburg), Peter Münder (Kritiker) / Ulrich Noller (WDR) / Michaela Pelz (krimi-forum.de) / Thomas Przybilka (BoKAS) / Kirsten Reimers (Kritikerin) / Robert Schekulin (Kritiker, Buchhändler) / Jan C. Schmidt (kaliber38.de) / Sylvia Staude (Frankfurter Rundschau) / Bettina Thienhaus (Kritikerin) / Jutta Wilkesmann (Krimibuchhandlung Die Wendeltreppe, Frankfurt) / Thomas Wörtche (Kritiker)

Die Kritiker:innen der Jury stimmen nicht für Titel, an deren Veröffentlichung sie aktiv beteiligt sind. Thomas Wörtche stimmt zudem nicht für Titel des Suhrkamp Verlags.


Der Deutsche Krimipreis ist der älteste deutsche Krimipreis. Seit 1985 zeichnet eine Jury aus Krimi-Kritiker*innen, Literaturwissenschaftler*innen und Krimi-Buchhändler*innen die besten Kriminalromane des Jahres aus.

Mit dem Deutschen Krimipreis – vergeben in den Kategorien National und International – werden jeweils drei Romane gewürdigt, die inhaltlich originell und literarisch gekonnt dem Genre neue Impulse verleihen.

Der Deutsche Krimipreis ist undotiert und wird – ungewöhnlich in der Szene der Literaturpreise – in der Regel nicht öffentlich verliehen, sondern lediglich der Öffentlichkeit bekannt gegeben.

Auf dieser Seite finden Sie Informationen darüber, wer zur Jury gehört und wie die Teilnahmebedingungen sind. Außerdem können Sie sich über die Entstehung und Geschichte des Preises informieren.

Hier geht es zum Archiv: den Preisträgern von 1985 bis 2018 sowie zu den 119 besten Kriminalromanen aller Zeiten, die die von einer Jury ermittelt wurden.

Für alle Fragen, die nicht in der FAQ zum Deutschen Krimipreis beantwortet werden, gibt es die Möglichkeit, Kontakt mit der Organisatorin aufzunehmen.

36. Deutscher Krimipreis für das Jahr 2019

National

1. Platz: Johannes Groschupf: Berlin Prepper (Suhrkamp)

Als Online-Redakteur bei einer großen Tageszeitung muss Walter Noack die Pöbeleien und Hasstiraden in den Kommentaren löschen. Tausende Male am Tag ist er mit den widerwärtigsten Beschimpfungen konfrontiert. Sein Nervenkostüm wird noch dünner, als er und später eine Kollegin von Unbekannten anscheinend grundlos zusammengeschlagen werden und er auch noch einen privaten Verlust erleiden muss. Die Polizei zeigt sich bei all dem machtlos. Das tägliche Gift, der Dauerhass sickert schließlich auch in Noacks Seele. Er schliddert allmählich in die trübe Szene von waffenhortenden Preppers, Reichs- und Wehrbürgern, abgestoßen und fasziniert zugleich.

„Tief gräbt sich Johannes Groschupf in die Wahrnehmung eines Mannes, der vorbereitet sein will, aber zunehmend das Gefühl hat, die Welt nicht mehr zu verstehen. (…) Mit einem sehr genauen Gespür für Sprache und Orte verankert Groschupf seinen Kriminalroman eindrucksvoll im Berlin der Gegenwart und verbindet komplexe gesellschaftliche Entwicklungen mit markanten Figuren und gelungenen Dialogen. ‚Berlin Prepper‘ ist ein Berlinroman, ein Gegenwartsroman, ein Kriminalroman; schnell, hart und gut.“ (Sonja Hartl, Deutschlandfunk Kultur)

2. Platz: Regina Nössler: Die Putzhilfe (konkursbuch)

Die promovierte Soziologin Franziska lässt in der Münsterländer Provinz Mann, Haus und Karriere hinter sich, um in Berlin unterzutauchen. Als die Geldreserven schwinden, verdingt sie sich als Putzhilfe. Doch ihre neue Arbeitgeberin hat genauso etwas zu verbergen wie Franziska auch. Hinzu kommt eine herumstreunende Jugendliche aus Neukölln, die beginnt, Franziska zu verfolgen. Raffiniertes Spiel aus Krimi- und Sozialklischees, konsequent aus der Perspektive der drei Frauen erzählt.

„Regina Nössler spielt virtuos auf dem Klavier der umlaufenden Vorurteile. (…) ‚Die Putzhilfe‘ handelt von Kontrolle und sozialen Normen, von Einengung und Befreiung, von realer und eingebildeter Überforderung. Alle diese Themen bilden den schwebenden Hintergrund einer ebenso überraschenden wie spannungsreichen Handlung.“ (Tobias Gohlis, Deutschlandfunk Kultur)

3. Platz: Max Annas: Morduntersuchungskommission (Rowohlt)

An einer Bahnstrecke nahe Jena wird 1983 eine entstellte Leiche gefunden. Wie ist der junge Mosambikaner zu Tode gekommen? Oberleutnant Otto Castorp von der Morduntersuchungskommission Gera sucht Zeugen und stößt auf Schweigen. Doch Indizien weisen auf ein rassistisches Verbrechen. Als sich dies nicht länger übersehen lässt, werden die Ermittlungen auf Weisung von oben eingestellt. Denn so ein Mord ist in der DDR nicht vorstellbar. Also ermittelt Otto Castorp auf eigene Faust weiter. Und wird dabei beobachtet. Ein eminent politisches Buch nach einem historischen Fall.

„Der nüchterne, unspektakuläre, fast protokollarische Stil, den Annas für diesen Roman gewählt hat, erzeugt eine Art Objektivität, mit der die bedrückenden Lebensverhältnisse einer dauerüberwachten Mangelgesellschaft intensiv spürbar werden, ebenso wie die brüchigen Arrangements damit, die die Menschen, die dort leben, eingehen müssen. Dass Gewaltexplosionen eine solche oberflächliche Friedhofsruhe interpunktieren, ist dann nur logisch.“ (Thomas Wörtche, Deutschlandfunk Kultur)


International

1. Platz: Hannelore Cayre: Die Alte (Argument/Ariadne)

Madame Portefeux, die Arabischübersetzerin mit den Patience-blauen Augen, führt ein Scheißleben. Die Kohle ist knapp, die alte Mutter liegt im Sterben, die Welt biegt sich vor Ungerechtigkeit. Dann tut sich unverhofft eine Chance auf, die einfach ergriffen werden muss. Und alles wird anders.

„Cayres Prosa ist von rasanter Lakonie, biestig, boshaft, ätzend, tödlich präzise, scheuklappenfrei und dabei sensibel. Ihre Komik balanciert dabei clever zwischen Handlungs- und Sprachkomik, aber wer in ‚Die Alte‘ eine Satire sehen möchte, irrt. Satire überzeichnet. Hannelore Cayres Romans dagegen trifft die gesellschaftlichen Verhältnisse schon fast hyperrealistisch.“ (Thomas Wörtche, Deutschlandfunk Kultur)

2. Platz: Dror Mishani: Drei (Diogenes)

Eine Frau sucht ein wenig Trost, nachdem ihr Mann sie und ihren Sohn verlassen hat. Eine zweite Frau sucht nach einem Zuhause und nach einem Zeichen von Gott, dass sie auf dem richtigen Weg ist. Eine dritte Frau sucht etwas ganz anderes. Sie alle finden denselben Mann. Es gibt vieles, was sie nicht über ihn wissen, denn er sagt ihnen nicht die Wahrheit. Aber auch er weiß nicht alles über sie.

„Dror Mishanis Roman ‚Drei‘ ist eine gefährliche Lektüre. Auf mehreren Ebenen. (…) Der Erzähler lässt [den Leser] verstört und unbefriedigt zurück: Er erhält keine Erklärung für die Bösartigkeit und Grausamkeit, die er miterleben musste. Gerade deshalb ist Dror Mishanis ‚Drei‘ ein hervorragender Kriminalroman. Denn er handelt überaus kunstvoll vom heißen Kern unserer Moral – und dem der Kriminalliteratur: der Unbegreiflichkeit des Verbrechens.“ (Tobias Gohlis, Deutschlandfunk Kultur)

3. Platz: Denise Mina: Klare Sache (Argument/Ariadne)

Anna McDonald führt in Glasgow ein unauffälliges Leben. Ihre Leidenschaft sind True-Crime-Podcasts. Eintauchen in eine Parallelwelt voller Rätsel und ungelöster Verbrechen … Ihr neuer Podcast klingt besonders verheißungsvoll: „Der Tod und die Dana“. Ein versunkenes Schiff, ein uralter Fluch, Explosion und Mord. Was will man mehr? Aber auf Anna wartet eine böse Überraschung.

„‚Klare Sache‘ ist ein wildes, sprunghaftes Buch – allerdings gelingt es Denise Mina, die vielen disparaten Themen (Promis, die von Fans belästigt werden, hohe Investitionen in Fußballclubs, Steuerbetrug, Prekariat und Protz) lässig zu integrieren. Es hilft, dass ihre Figuren glaubwürdig sind, aber doch auch mit kräftigem Strich gezeichnete Typen. (…) Sie sind so originell wie einprägsam und sind trotzdem keine Schwarz-weiß-Charaktere.“ (Sylvia Staude, Frankfurter Rundschau)


Die Jury: Volker Albers (Hamburger Krimifestival) / Andreas Ammer / Claudia Denker (Buchhandlung Chatwins, Berlin) / Jens Dirksen (WAZ Kultur) / Monika Dobler (Krimibuchhandlung Glatteis, München) / Christiane Dreiling (Buchladen Neusser Straße einzigundartig, Köln) / Joachim Feldmann (Kritiker) / Tobias Gohlis (Krimikolumnist Die ZEIT) / Günther Grosser (Kritiker) / Sonja Hartl (Kritikerin) / Cornelia Hüppe (Krimibuchhandlung Miss Marple, Berlin) / Reinhard Jahn (Bochumer Krimi Archiv) / Hermann Kling (Kritiker) / Christian Koch (Krimibuchhandlung Hammett, Berlin) / Alf Mayer (Kritiker CrimeMag) / Torsten Meinicke (Buchladen in der Osterstraße, Hamburg), Peter Münder (Kritiker) / Ulrich Noller (WDR) / Michaela Pelz (krimi-forum.de) / Thomas Przybilka (BoKAS) / Kirsten Reimers (Kritikerin) / Robert Schekulin (Kritiker, Buchhändler) / Joachim Schneider-Sacotte (Kritiker) / Jan C. Schmidt (kaliber38.de) / Sylvia Staude (Frankfurter Rundschau) / Bettina Thienhaus (Kritikerin) / Jutta Wilkesmann (Krimibuchhandlung Die Wendeltreppe, Frankfurt) / Thomas Wörtche (Kritiker)

Die Kritiker*innen der Jury stimmen nicht für Titel, an deren Veröffentlichung sie aktiv beteiligt sind. Thomas Wörtche stimmt zudem nicht für Titel des Suhrkamp Verlags.


Der Deutsche Krimipreis ist der älteste deutsche Krimipreis. Seit 1985 zeichnet eine Jury aus Krimi-Kritiker*innen, Literaturwissenschaftler*innen und Krimi-Buchhändler*innen die besten Kriminalromane des Jahres aus.

Mit dem Deutschen Krimipreis – vergeben in den Kategorien National und International – werden jeweils drei Romane gewürdigt, die inhaltlich originell und literarisch gekonnt dem Genre neue Impulse verleihen.

Der Deutsche Krimipreis ist undotiert und wird – ungewöhnlich in der Szene der Literaturpreise – in der Regel nicht öffentlich verliehen, sondern lediglich der Öffentlichkeit bekannt gegeben.

Auf dieser Seite finden Sie Informationen darüber, wer zur Jury gehört und wie die Teilnahmebedingungen sind. Außerdem können Sie sich über die Entstehung und Geschichte des Preises informieren.

Hier geht es zum Archiv: den Preisträgern von 1985 bis 2018 sowie zu den 119 besten Kriminalromanen aller Zeiten, die die von einer Jury ermittelt wurden.

Für alle Fragen, die nicht in der FAQ zum Deutschen Krimipreis beantwortet werden, gibt es die Möglichkeit, Kontakt mit der Organisatorin aufzunehmen.

35. Deutscher Krimipreis 2019

National Preisträger Deutscher Krimipreis 2019 Kategorie National

1. Platz: Simone Buchholz: Mexikoring (Suhrkamp)

In Hamburg brennen die Autos. Jede Nacht, wahllos angezündet. Aber in dieser einen Nacht am Mexikoring, einem Bürohochhäuserghetto im Norden der Stadt, sitzt noch jemand in seinem Fiat, als der anfängt zu brennen: Nouri Saroukhan, der verlorene Sohn eines Clans aus Bremen. War er es leid, vor seiner Familie davonzulaufen? Hat die ihn in Brand setzen lassen? Und was ist da los, wenn die Gangsterkinder von der Weser neuerdings an der Alster sterben?

„[In] in diesem Buch [ist] auf jeder Seite eine Haltung gegenüber der Welt zu erkennen (…), die nicht ausgestellt oder gar ausbuchstabiert werden muss. Schon deshalb lassen sich die Bücher von Simone Buchholz nicht einer Kategorie zuordnen – sie sind keine Lokalkrimis, keine St. Pauli-Romane oder Hamburg Noirs. (…) Simone Buchholz beweist mit jedem Buch ihrer Reihe noch mehr, dass es in der deutschsprachigen Kriminalliteratur sehr viel mehr gibt als Regional- und Tourismuskrimis.“ (Sonja Hartl)

2. Platz: Matthias Wittekindt: Die Tankstelle von Courcelles (Edition Nautilus)

Ohayons erster Fall: Die Vogesen in den 1970er Jahren: grün, friedlich, ein wenig am Rand von allem. Hier wächst abgeschieden eine Gruppe von Kindern zu Jugendlichen heran, die mehr oder weniger subtile Rangkämpfe ausfechten. Als Lou, die nachts an der Tankstelle jobbt, Zeugin eines Verbrechens wird, ändert sich alles: ein erschossener Fahrer neben seinem Auto, ein verwaister Lieferwagen, aus dem Spender gerissene Papiertücher, als hätte jemand dort etwas gesucht – was ist passiert? War Lou wirklich nur Zeugin? Oder hat sie die Gunst der Stunde zu einer Tat genutzt, deren Folgen sie nicht absehen konnte?

„Die ruhige, fast stille, völlig uneitle und souveräne Prosa, die es nicht nötig hat, ihre eigene Brillanz zu feiern, macht die hohe Qualität des Romans aus. Der Kriminalfall selbst (…) wirkt fast unauffällig platziert, ist aber dennoch das entscheidende Ereignis des Buches, von dem aus sich Vergangenheit (…) und Zukunft der handelnden Personen entfaltet. (…) Exakt diese Überschneidung von privatem und öffentlichem Raum ist das Kerngeschäft guter Kriminalliteratur, auch wenn sie nicht auf sensationelle Effekte setzt. Deswegen ist ‚Die Tankstelle von Courcelles‘ ein großartiger Kriminalroman.“ (Thomas Wörtche)

3. Platz: Max Annas: Finsterwalde (Rowohlt)

So könnte es kommen, vielleicht schon sehr bald: Die EU gibt es nicht mehr. Überall in Europa haben Nationalisten und Fremdenfeinde das Sagen. Leute ohne deutschen Pass werden aus ihren Wohnungen abgeholt, Staatsbürgerschaften aufgekündigt. Die meisten Deutschen mit fremden Wurzeln befinden sich in Übergangslagern, sie hoffen auf eine internationale Lösung, ein Abkommen mit einem Land, das sie aufnehmen wird. In Finsterwalde, einer geräumten Provinzstadt, hat man Tausende Schwarze kaserniert. Unter ihnen Marie mit ihren beiden Kindern. Da geht das Gerücht, in Berlin seien drei schwarze Kinder zurückgeblieben, vergessen von allen. Marie beschließt, einen Weg aus dem Lager zu finden, um die drei vor dem sicheren Tod zu retten.

„Max Annas hält mit seinem spektakulären Entwurf der Gegenwart mit ihren Hass-Debatten auf radikalste Weise den Zerr-Spiegel vor – und er bezieht dabei nicht minder radikal Position. (…) „Finsterwalde“ ist ein sehr smart geplotteter und dramatisierter Thriller, der in Hochgeschwindigkeit exzellent mit den Mitteln des Genres operiert – und ein kontroverser Polit-Roman zur Zeit, der mit immenser Energie am Nerv der Dinge bohrt, die nicht bloß die Zukunft, sondern auch die Gegenwart in Deutschland derzeit eben alles andere als licht und freundlich scheinen lassen. Der Plan, den Max Annas wohl hatte, als er sich diesen Roman ausdachte, er geht auf, in vielfacher Hinsicht.“ (Ulrich Noller)


International

Deutscher Krimipreis 2019 Preisträger International

1. Platz: Hideo Yokoyama: 64 (Atrium)

Im Januar 1989 wird in Tokio ein siebenjähriges Mädchen entführt. Tagelang versuchen die Eltern alles, um die Forderungen des Entführers zu erfüllen. Doch alle Bemühungen sind vergebens. Der Entführer entkommt unerkannt mit dem Lösegeld, kurz darauf wird die Leiche des Mädchens gefunden. Die Ermittlungen der Polizei laufen ins Leere, der Fall geht unter dem Aktenzeichen 64 als ungelöstes Drama in die Kriminalgeschichte Japans ein. Vierzehn Jahre später verschwindet die Tochter von Yoshinobu Mikami, dem Pressesprecher eines kleinen Polizeireviers. Mikami, selbst Gefangener eines übermächtigen Verwaltungsapparats, stößt kurz darauf auf ein geheimes Memo zu Fall 64. Getrieben von einer dunklen Ahnung beginnt er, auf eigene Faust zu ermitteln.

„Auf knapp 800 Seiten (…) erzählt Hideo Yokoyama eine sich langsam, aber unerbittlich, detailliert, aber immer wieder auch rasant entwickelnde Geschichte. (…) Ein Kriminalroman als Gesellschaftspanorama, das ist nichts Neues. Aber die Tiefe der Einblicke, die Hideo Yokoyama in eine fremde Lebensweise und ihre sozialen Regeln gestattet, möchte man für beispiellos halten.“ (Sylvia Staude)

2. Platz: Tom Franklin: Krumme Type, krumme Type (Pulp Master)

Als die neunzehnjährige Tina Rutherford verschwindet, ist jedem in Chabot, Mississippi klar, wer dafür verantwortlich ist. Denn 25 Jahre zuvor war schon die junge Cindy Walker nach einem Date mit dem Nachbarssohn Larry Ott spurlos verschwunden. Für das Verbrechen konnte Larry aus Mangel an Beweisen nie verurteilt werden, wurde aber fortan gemieden und lebte in ritualisierter Einsamkeit. Erneut unter Verdacht, ist sein Haus vermehrt Ziel betrunkener Rednecks; er wird angeschossen und der junge schwarze Constable Silas Jones mit den lästigen Ermittlungen betraut – eine gemeinsame Vergangenheit und ein dunkles Geheimnis verbinden ihn mit Larry.

„Kunstvoll zwischen damals und heute springend, rollt Tom Franklin die Geschichte einer Freundschaft auf: ein trostloses Panorama von Angst, Armut und Rassismus. Schweigen liegt wie eine finstere Wolke über den Beziehungen der Menschen. Als Wahrheit zählt nur, was mit dem Vorurteil übereinstimmt. (…) Tom Franklins ‚Krumme Type, krumme Type‘ (…) ist ein trauriges, großes Buch.“ (Tobias Gohlis)

3. Platz: Denise Mina: Blut Salz Wasser (Ariadne bei Argument)

Helensburgh am River Clyde, Refugium für Reiche und Touristen: Verloren irrt ein Mörder durch die malerischen Gässchen, während Kriminalinspektorin Alex Morrow nach einer verschwundenen Geldwäscherin sucht. Und das bevorstehende Referendum bringt zusätzlich Unruhe ins Gefüge.

„(…) Denise Mina (behält) stets den Überblick über die verschiedenen Erzählstränge – und verflicht sie am Ende virtuos. Zudem zeichnet sie ein scharfer Blick für gesellschaftliche Realitäten aus. Misogynie (…) durchzieht konstant die Gesellschaft. Auch Verbrechen und Kriminalität sind nicht Abnormitäten, sondern strukturelle Elemente einer Gesellschaft, die auf Betrug und Geldwäsche beruht. (…) In ‚Blut Salz Wasser‘ dekonstruiert Denise Mina eindrucksvoll den konservativen Glauben, dass mit der Überführung des Täters alles wieder gut und die Ordnung wiederhergestellt sei.“ (Sonja Hartl)


Die Jury

Volker Albers (Hamburger Krimifestival) / Andreas Ammer (ARD) / Claudia Denker (Buchhandlung Chatwins, Berlin) / Monika Dobler (Krimibuchhandlung Glatteis, München) / Christiane Dreiling (Buchladen Neusser Straße einzigundartig, Köln) / Joachim Feldmann (Kritiker) / Tobias Gohlis (Die Zeit) / Günther Grosser (Kritiker) / Sonja Hartl (Kritikerin) / Cornelia Hüppe (Krimibuchhandlung Miss Marple, Berlin) / Reinhard Jahn (Bochumer Krimi Archiv) / Hermann Kling (Kritiker) / Christian Koch (Krimibuchhandlung Hammett, Berlin) / Alf Mayer (Kritiker CrimeMag) / Torsten Meinicke (Buchladen in der Osterstraße, Hamburg), Peter Münder (Kritiker) / Ulrich Noller (WDR) / Michaela Pelz (krimi-forum.de) / Thomas Przybilka (BoKAS) / Kirsten Reimers (Kritikerin) / Robert Schekulin (Kritiker, Buchhändler) / Jan C. Schmidt (kaliber38.de) / Sylvia Staude (Frankfurter Rundschau) / Bettina Thienhaus (Kritikerin) / Jutta Wilkesmann (Krimibuchhandlung Die Wendeltreppe, Frankfurt) / Thomas Wörtche (Kritiker)


Der Deutsche Krimipreis ist der älteste deutsche Krimipreis. Seit 1985 zeichnet eine Jury aus Krimi-Kritiker*innen, Literaturwissenschaftler*innen und Krimi-Buchhändler*innen die besten Kriminalromane des Jahres aus.

Mit dem Deutschen Krimipreis – vergeben in den Kategorien National und International – werden jeweils drei Romane gewürdigt, die inhaltlich originell und literarisch gekonnt dem Genre neue Impulse verleihen.

Der Deutsche Krimipreis ist undotiert und wird – ungewöhnlich in der Szene der Literaturpreise – in der Regel nicht öffentlich verliehen, sondern lediglich der Öffentlichkeit bekannt gegeben.

Auf dieser Seite finden Sie Informationen darüber, wer zur Jury gehört und wie die Teilnahmebedingungen sind. Außerdem können Sie sich über die Entstehung und Geschichte des Preises informieren.

Hier geht es zum Archiv: den Preisträgern von 1985 bis 2018 sowie zu den 119 besten Kriminalromanen aller Zeiten, die die von einer Jury ermittelt wurden.

Für alle Fragen, die nicht in der FAQ zum Deutschen Krimipreis beantwortet werden, gibt es die Möglichkeit, Kontakt mit der Organisatorin aufzunehmen.