GDA-Konferenz 2024 Deutschland als Datacenter-Wunderland

Von Ulrike Ostler 13 min Lesedauer

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Rund 800 Teilnehmer konnte die diesjährige Konferenz der German Datacenter Association (GDA) zählen und jede Menge Investoren: Rotschild, Blackrock, DTCP, IPI Partners, Digital Bridge, NIBC Bank. Angesichts des versammelten Kapitals ist es durchaus von Interesse, wie sich Deutschland als Rechenzentrumsstandort so präsentiert.

Die diesjährige Konferenz der German Datacenter Association (GDA) hat am 3. September in Bad Vilbel stattgefunden - bei regem Interesse. Die GDA-Vorstandsvorsitzende Anna Klaft konnte rund 800 Teilnehmer begrüßen.(Bild:  GDA)
Die diesjährige Konferenz der German Datacenter Association (GDA) hat am 3. September in Bad Vilbel stattgefunden - bei regem Interesse. Die GDA-Vorstandsvorsitzende Anna Klaft konnte rund 800 Teilnehmer begrüßen.
(Bild: GDA)

Den Einstieg dazu hat Martina Williams von dem US-amerikanischen Dienstleistungs-, Beratungs- und Investment-Management-Unternehmen im Immobilienbereich Jones Lang LaSalle (JLL) mit ihrem Blick auf den hiesigen Rechenzentrumsmarkt vermittelt.

Sie erinnert mit den IDC-Zahlen aus dem Jahr 2023 nach denen das Datenvolumen weltweit auf bis zu 278 Zettabyte (ZB) im Jahr 2027 anwachsen soll. Zur Erinnerung: ein Zetabyte entspricht 1 Milliarde Terabyte (TB) und zum Vergleich: Ein HD-Film (720p) benötigt etwa 1 GB Speicherplatz pro Stunde Laufzeit. Das prognostizierte jährliche Volumen würde also 284.000 Milliarden Stunden HD-Material entsprechen. Die Gesamtspeicherkapazität in Rechenzentren und Endgeräten wird ebenfalls von 10,1 ZB im Jahr 2023 auf bis zu 21,0 ZB im Jahr 2027 steigen, was einer jährlichen Wachstumsrate von 18,5% über fünf Jahre entspricht.

Auch der Co-Location-Markt wächst weltweit: Laut Structure Research wird er in den kommenden vier Jahren mit einer jährlichen Rate von 15,2 Prozent zulegen. Die meisten Rechenzentren, die vor zehn Jahren gebaut wurden, erinnert Williams, hatten eine kritische IT-Lastkapazität von weniger als zehn Megawatt (MW). Heute aber gewöhnt sich die Gesellschaft daran, dass Entwickler neue Rechenzentren mit einer IT-Lastkapazität von 100 MW oder mehr ankündigen.

Die Beschleuniger

Schuld an dem Wachstum bisher sind weltweit die zunehmende Nutzung von Cloud-Diensten und mobilen Geräten. In den kommenden fünf Jahren aber werden Verbraucher und Unternehmen doppelt so viele Daten erzeugen wie in den letzten zehn Jahren zusammen. Die Hauptfaktoren für die steigende Nachfrage nach größeren und leistungsfähigeren Rechenzentren, die zu den bekannten Faktoren dazukommen, sind die zunehmende Digitalisierung der Wirtschaft und die Fortschritte im Bereich der KI.

KI-Rechnereien aber ermöglichen heute Beschleuniger, Akzeleratoren - vorzugsweise Grafikprozessoren. Hier ist Nvidia Marktführer. Die jüngsten Spezifikationen für Graphics Processing Units (GPUs) - „B100“ und „B200“ - gehen von 1000 Watt und mehr für eine Einheit aus. Das wiederum ändert das Design der Rechenzentren; denn gemeinhin geht man davon aus, dass sich Prozessoren mit bis zu 350 oder auch 400 Watt mit Luft kühlen lassen. Die KI-Computer dürften also Wasser oder andere Flüssigkeiten zum Kühlen benötigen.

Ein aktuelles Beispiel für diese rasante Entwicklung im Datacenter-Markt ist für Williams die milliardenschwere Investition von Microsoft in Rechenzentren für die eigene Cloud-Infrastruktur und für KI-Anwendungen in Nordrhein-Westfalen. Das katapultiere das ehemalige Kohlerevier in Rekordzeit auf den dritten Platz im Ranking der großen deutschen Märkte - direkt hinter Frankfurt am Main und Berlin (siehe: Abbildung 5).

In der Studie „Market Overview: Data Centers in Germany“, auf die Williams verweist, steht, dass der durchschnittliche Zeitaufwand für das Training eines KI-Modells in Flops (Gleitkommaoperationen pro Sekunde) zeigt, dass sich dieser bisher jährlich etwa vervierfacht hat. Mehr Zeit, mehr Daten, mehr Rechnerei: Wenn sich dieser Trend fortsetzt, so der Bericht, wird sich die Anzahl der KI-Workloads, die in aktuellen und neuen Rechenzentren laufen, bis Ende 2024 vervierfachen.

Der Konsens sei, dass KI die größte Nutzerkategorie von Rechenzentren sein werde und gar die Hyperscale-Kategorie ablöse. Und das will schon etwas heißen: Der Stromverbrauch in den Rechenzentren ist nach eigenen Angaben von Google 2023 um 17 Prozent angestiegen. Sowohl der Stromverbrauch von Microsoft als auch von Google hat sich seit 2018 verdoppelt. So sind 2023 auf die beiden Hyperscaler rund 20 Prozent des weltweiten Stromverbrauchs in Rechenzentren im Jahr entfallen.

Außerdem würden die KI-Rechenzentren standortunabhängiger sein als die Hyperscale-Rechenzentren. Ob sich das lediglich darauf bezieht, so genannte Tier-II-Standorte wie Hamburg, München und Berlin beispielsweise zu bevölkern, oder die Rechenzentren in die Nordics mit grünem, billigem Strom zu verlagern, führt Williams an dieser Stelle nicht aus.

Standortbedingungen

Jedenfalls positionierten sich die Betreiber von Rechenzentren, um das KI-Wachstum zu nutzen, und benötigen enorme Mengen an Kapital und Strom.

Auch Williams zitierte die Zahlen von Ralph Hintemann vom Borderstep Institute, der den jährlichen Gesamtenergiebedarf von Rechenzentren in Deutschland auf 17,9 Milliarden Kilowattstunden (kWh) schätzt - mit steigender Tendenz. Zum Vergleich: Der urbane Stromverbrauch in der Stadt Berlin lag im Jahr 2022 bei 12,1 Milliarden kWh. Und damit ist Williams bei dem Punkt angekommen, dass der Energiebedarf zunehmend zur zentralen Herausforderung für den weiteren Ausbau der digitalen Infrastruktur werde; sie setzt aber hinzu: nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen wichtigen Rechenzentrumsmärkten in Europa.

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Dazu kommt noch, dass das In Deutschland vom Umweltbundesamt (UBA) gemeinsam mit führenden Umweltverbänden und -instituten entwickelte und am 18. November 2023 in Kraft getretene Energie-Effizienzgesetz (EnEfG) für heftige Diskussionen gesorgt habe weil es weiteren und weiteren Druck auf den Rechenzentrumsmarkt ausübe. Auch die Überlegungen des Frankfurter Magistrats, die Richtlinien für den Bau von Rechenzentren zu verschärfen und die Flächen zu begrenzen, gegen Mitte 2023, darf in ihren Ausführungen nicht fehlen.

Das bedeutet aber auch gute Chancen für Datacenter-Management-Tools: Nach Einschätzung von JLL werden die Betreiber von Datacenter in dem Bestreben, die Stromverbrauchseffektivität (PUE) zu senken, nach neuer Software und neuen Algorithmen suchen, um die Effizienz zu steigern. Doch auch die Politik ist nicht außen vor: Der dringende Bedarf an mehr Energie werde die Betreiber von Rechenzentren und sogar die Regierungen dazu veranlassen, sich um die Sicherung der erforderlichen Energieversorgung zu bemühen, insbesondere um nachhaltige Energiequellen, die gleichzeitig die Innovation fördern.

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Gleichzeitig steigt die Nachfrage von Investoren nach diesen Objekten unvermindert an. Und damit ist sie bei einem Phänomen, mit dem die deutschen Rechenzentrumsszene noch fremdelt, mit dem aber die internationalen Co-Location- und Cloud-Konzerne bestens vertraut sind; Datacenter als Investitionsobjekte und Asset-Klasse. Als Auslöser für das Interesse an Rechenzentrumsinvestments darf die COVID-19-Pandemie herhalten.

Dadurch dass sich die Arbeitswelt mit hybriden Arbeitsmethoden gewandelt habe, mitsamt der sprunghaften Zunahme von virtuellen Meetings, Schulungen, Konferenzen habe ins kollektive Bewusstsein von Investoren gerückt, dass Rechenzentren dieses Aufkommen bewältigen müssen. Zusammen mit verstärkten Online-Shopping, virtuellen sozialen Aktivitäten und der zunehmenden Nutzung von Streaming-Diensten habe die Rechenzentren, die Internet-Infrastruktur im Allgemeinen in den Fokus gerückt. KI, autonomes Fahren und Industrie 4.0 verstärken diesen Trend noch.

Gerngesehener Gast auf der GDA-Konferenz ist die Digitalministerin des Landes Hessen: Professor Kristina Sinemus, hier im Gespräch mit Carsten Kestermann, Director Public Policy und Mitglied der Geschäftsleitung bei AWS Deutschland.(Bild:  GDA)
Gerngesehener Gast auf der GDA-Konferenz ist die Digitalministerin des Landes Hessen: Professor Kristina Sinemus, hier im Gespräch mit Carsten Kestermann, Director Public Policy und Mitglied der Geschäftsleitung bei AWS Deutschland.
(Bild: GDA)

Außerdem werde der Markt für Rechenzentren zunehmend als etablierter Sektor wahrgenommen. Laut Williams hat das dazu geführt, dass die Zahl der potenziellen Investoren für einzelne Transaktionen im Durchschnitt gestiegen ist. In der Folge habe das wiederum zu einer positiven Entwicklung der Renditen für diese Anlagen beigetragen und einer vergleichsweise hohen Renditestabilität.

Doch sind nicht alle Rechenzentren gleichermaßen interessant: Das Spektrum der Nutzungsklassen reicht von 'Shell & Core'-Anlagen, die dem Mieter mittels langfristiger Triple-Net-Verträge nur die Gebäudehülle zur Verfügung stellen, über 'Powered Shell & Core' mit zusätzlicher Energie-Infrastruktur, die dem Mieter zur Verfügung gestellt wird, bis hin zu 'Fully Fitted'-Anlagen, die komplett nach Mieterwunsch ausgestattet und betrieben werden.

Aus Investorensicht, so Williams, variieren das Risikoprofil und die Rendite-Erwartungen . So könne ein klassischer Fully Fitted-Rechenzentrumsneubau, der langfristig an einen Hyperscaler mit hoher Bonität voll vermietet ist, derzeit eine Nettoanfangsrendite von rund 5,5 Prozent erzielen. Die JLL-Fachfrau vergleicht mit den aktuellen Spitzenrenditen in den gängigen Asset-Klassen; die liegen bei 4,29 Prozent für Büros, 4,41 Prozent für Logistik und 3,71 Prozent für Wohnungen. Lediglich der Einzelhandelssektor weise mit teilweise bis zu 5,9 Prozent höhere Renditen auf.

Heuschrecken und Blasen - ein Kommentar

Irgendwie ist es befremdlich, im eigenen Land in einer Konferenz zu sitzen und in englischer Sprache der Bewertung, vor allem durch die US-Brille, des hiesigen Datacenter-Markts zu folgen. Fast 18 Jahre verfolge ich nun die Entwicklung und habe dennoch ein Gefühl von: Unglaublich!

Es gab lange Zeit in Deutschland keine riesigen Rechenzentren und auch keine Politik, die sich damit beschäftigt hat. Jetzt ist die Frage, wo bekommen alle Datacenter genügend Strom, ausreichend grünen Strom her und wohin mit der Abwärme? Wir gewöhnen uns an Vorstellungen von 300-, ja, 500-Megawatt-Rechenzentren und kämpfen zugleich mit der Umsetzung von Nachhaltigkeitsprinzipien.

Es ist auch noch gar nicht so lange her, dass sich die Rechenzentrumserbauer über den stark fragmentierten Rechenzentrums-Know-how-Markt beklagten, jetzt bringen die Hyperscaler egal ob Co-Location oder Cloud-Anbieter ihre Planer und andere Fachleute einfach mit.

Bei Microsoft amüsiere man sich über die vielen Behörden und Ämter, die über die Ansiedlung eines Rechenzentrums entschieden. Auf der Konferenz hieß es: Ja, aber die Erdung in scheint's unendlichen Gesetzen für Kommunen, Kreisen, Ländern und Bund könne auch ein Vorteil sein; denn käme man erst einmal durch, sei man schließlich auch ein zuverlässiger Partner. Wunderland Deutschland.

In der Diskussion um die Pfründe im deutschen Datacenter-Markt (v.l.): als Moderatorin Ludmilla Popova, NIBC Bank, Ekaterina Ksoll, Rotschild, Zahl Limbuwala, DTCP, Zachary Stephenson, Digital Bridge, Thomas Peshkatari, Black Rock, Richard Redstone, IPI Partners, und als Moderator Luvas Ruland, NIBC Bank. Offizielles Thema: „Investing in Data Centers for Future Growth“(Bild:  GDA)
In der Diskussion um die Pfründe im deutschen Datacenter-Markt (v.l.): als Moderatorin Ludmilla Popova, NIBC Bank, Ekaterina Ksoll, Rotschild, Zahl Limbuwala, DTCP, Zachary Stephenson, Digital Bridge, Thomas Peshkatari, Black Rock, Richard Redstone, IPI Partners, und als Moderator Luvas Ruland, NIBC Bank. Offizielles Thema: „Investing in Data Centers for Future Growth“
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Auch die Summen, die investiert werden, sind dazu angetan, dass einem schwindelig wird genauso wie die klingenden Namen derer, die investitionswillig sind: von Rotschild über Blackrock, DTCP, IPI Partners, Digital Bridge bis NIBC Bank - "Heuschrecken halt" wie mir ein Konferenzteilnehmer zuraunte.

Spekulanten kaufen Grundstücke und bieten sie potenziellen Datacenter-Investoren und -Erbauern an, ohne konkrete Pläne dafür zu haben. Bei den Energieversorgern gehen Anfragen ein, ohne das bereits echte Absichten zur Errichtung von Rechenzentren bestehen. Das erweckt den Eindruck von Mangel an Fläche und Ressourcen, wo gar keiner besteht, und verteuert, wo es geht - so bläht man Blasen.

Und irgendwie habe ich mich doch auch ein wenig geärgert: Wie selbstverständlich gehen die US-Brillen aus, dass sie Segen im Gepäck haben, etwa weil ihre-Hyperscaler per se Nachhaltigkeit im Gepäck haben, so dass hierzulande alle ehrfürchtig deren Konzepte inhalieren und nachahmen müssen. Guckt sich auch einer einmal an, was in diesem Land bereits längst existiert, etwa ein Energie-Effizienzgesetz, das zwar an der ein oder anderen Stelle kritisiert werden kann, aber dennoch mehr als reine Paperware, Marketing und geschönte Bilanz ist, Stadtteil- und Büroheizungen per Datacenter-Abwärme, Rechenzentren, die Algen wachsen lassen und in Windräder gebaut werden, Sicherheits- und Kühlkonzepte, die sich locker exportieren lassen, Rack-Bauer und CDU-Erfinder, ein gedrucktes Rechenzentrum, ..... den größten Internet-Knotenpunkt, der einem typisch deutschen Konstrukt, nämlich einem Verein zu verdanken ist, ....

Sie stellt fest: In jüngster Zeit wird der Markt für unternehmensfremde Rechenzentren zunehmend von traditionellen, institutionellen, immobilienorientierten Investoren beherrscht, die durch Immobilienmerkmale wie Triple-Net-Mietverträge angezogen werden. Solche Mietverträge böten eine solide Einkommensquelle, starke vermieterorientierte Mietklauseln, regelmäßiges Einkommenswachstum und eine lange Mietdauer.

Williams: „Wir erwarten mehr PropCo-JVs und Neuauflagen“. PropCo-JVs sind Joint Ventures, bei denen eine Property Company (PropCo) gegründet wird, um Immobilienbesitz oder -investitionen zu verwalten. Diese Struktur wird häufig in der Immobilienbranche verwendet, um Immobilienbestände zu halten, während operative Aktivitäten wie Entwicklung oder Verwaltung von einer separaten Firma übernommen werden.

Dementsprechend teilt sich im PropCo-JV-Modell das Joint Venture in der Regel in zwei Hauptkomponenten auf:

  • PropCo (Property Company): Diese Einheit hält und besitzt die Immobilien.
  • OpCo (Operating Company): Diese Einheit ist für den Betrieb, die Verwaltung oder Entwicklung der Immobilie verantwortlich.

In den vergangenen fünf Jahren seien rund 3 Milliarden Milliarden Euro in europäische Rechenzentrumsimmobilien investiert worden und der überwiegende Teil der Investorennachfrage nach vermieteten Rechenzentren habe sich dabei sich auf Objekte der Nutzungsklasse Shell & Core bezogen, da diese dem Wert anderer möglicher Nachnutzungen am nächsten kommt und somit das geringste Risikoprofil böte. Für Investoren, die ein höheres Risiko eingehen wollten, bieten sich Objekte der Nutzungsklassen Fully Fitted oder Operational Business an.

Im vergangenen Jahr hätten sich die Investitionen auf 2,34 Milliarden Dollar belaufen (ohne Unternehmens- und Portfoliogeschäfte) im Vergleich zum Jahr 2022 also mehr als verdoppelt, als es noch 0,76 Milliarden Dollar waren. „Wir beobachten weiterhin ein größeres institutionelles Interesse an diesem Sektor, und es kommen neue Marktteilnehmer auf den Markt“, so Williams.

Auswirkungen auf den Datacenter-Markt in Deutschland

„Wir sehen, dass nach wie vor Nachfrage und Angebot nicht ausgeglichen sind“, sagt Williams. Und damit präsentierte sich Deutschland 2023 als klarer Wachstumsmarkt für Rechenzentren und 2024 sowie darüber hinaus. Dabei rangiere Frankfurt am Main, bezogen auf die so genannten FLAP-D-Märkte - Frankfurt, London, Amsterdam, Paris und Dublin, liegt weiterhin an zweiter Stelle hinter London.

Allerdings weist Frankfurt den geringsten Leerstand auf. Williams setzt hinzu: Das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage auf den Kernmärkten habe generell zu sinkenden Leerstandsquoten und Aufwärtsdruck auf die Mieten geführt. So seien die durchschnittlichen Co-Location-Mieten jährlich zwischen 9 Prozent und 13 Prozent gestiegen.

Allerdings stelle das 'Land-Akquisition-Team' von JLL fest, dass die Hauptmärkte langsam aber sicher an ihre Kapazitätsgrenzen stießen. Das gelte für die Verfügbarkeit geeigneter Flächen, vor allem aber für die Verfügbarkeit von Strom für die oft zweistelligen Anschlussleistungen in Megawatt (MW).

Anna Klaft ist die Vorstandsvorsitzende der GDA und zugleich Global Vice President IT bei Rittal und im Vorstand von Lefdal, die norwegische Ex-Mine, die Rechenzentren berherbergt.(Bild:  GDA)
Anna Klaft ist die Vorstandsvorsitzende der GDA und zugleich Global Vice President IT bei Rittal und im Vorstand von Lefdal, die norwegische Ex-Mine, die Rechenzentren berherbergt.
(Bild: GDA)

Neben dem Hotspot Frankfurt am Main mit einer IT-Gesamtkapazität von 724 MW und einem Zuwachs von 95 MW allein im Jahr 2023 habe auch der Standort Berlin in den vergangenen Jahren an Relevanz gewonnen und entwickele sich nun zunehmend zu einem zweiten Hotspot mit einer Gesamtkapazität Ende 2023 von 99 MW.

Das bedeutet zugleich das Erreichen eines Rekordniveaus bei der Stromabnahme im Jahr 2023, mit 352 MW in den Kernmärkten in Europa. Das bedeutet ein Anstieg von 19 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Frankfurt dominiert mit einem Drittel der gesamten Nachfrage in den Kernmärkten den Zubau.

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Darüber hinaus prognostiziert JLL weiteres Wachstum im Jahr 2024 mit 467 MW an neuen Angeboten in den Kernmärkten und einem signifikanten Wachstum in den Sekundärmärkten. Das Unternehmen schätzt, dass die Marktgröße in Madrid um 54 Prozent zunehmen wird.

Für das anhaltende Wachstum in Deutschland sprechen folgende Faktoren:

  • Die Nachfrage nach Rechenzentrumsdienstleistungen in Europa bleibt hoch. Im dritten Quartal 2023 war die Nachfrage nach Rechenzentren auf dem europäischen Tier-I-Markt so hoch wie nie zuvor, mit einem Anstieg von 20 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
    Der Grund dafür liege auf der Hand: Für Unternehmen, die in Europa tätig sind, haben kürzestmögliche Latenzzeiten zu ihren Kunden und Verbrauchern große Bedeutung, genauso wie Datensouveränität und Datenschutz, insbesondere für Cloud Computing und Hosting ein Faktor sind.
  • Sodann punktet Deutschland bei der Versorgungssicherheit, insbesondere im wichtigen Bereich Strom - in den Jahren 2019 bis 2022 habe die Gesamtzahl der Versorgungsunterbrechungen bei etwa 12 Minuten pro Jahr gelegen. „Dennoch: Es gibt auch in Deutschland erste Anzeichen für eine Überbelegung“, hält Williams noch einmal fest. Dies gelte insbesondere für das Gebiet Rhein-Main und Berlin, vor allem wegen der knappen Verfügbarkeit geeigneter Flächen und der zunehmend angespannten Situation bei den Stromanschlusskapazitäten.
  • Glasfaser hingegen sei von untergeordneter Relevanz; Bauträger gingen zunehmend dazu über, ein gleichstromfähiges Grundstück anzubieten, wenn die notwendige Planungshoheit und ein ausreichender Stromnetzanschluss vorhanden oder vertraglich gesichert seien. Der Data Center-Report von JLL setzt hinzu: „Für das Planungsrecht ist in der Regel die Ausweisung als GE-Gebiet ausreichend, wobei in der Regel eine GRZ (das heißt: überbaubare Fläche im Verhältnis zur Grundstücksfläche) von mindestens 0,6, besser 0,8, vorhanden sein sollte. Übersteigt die Notstromversorgung des Vorhabens 50 MW, ist ein weiteres Genehmigungsverfahren nach Bundesimmissionsschutzrecht erforderlich.“

Martina Williams
ist Head of Work Dynamics Northern Europe bei JLL.

Bildquelle: JLL

Recht und Gesetz

„Germany is sleeping. Wakeup! We need this - now.“ Das Zitat stammt von Henry Daunert, CEO von AQ Compute aus der Podiumsdiskussion, die der Einführung von Williams gefolgt ist und hat den meisten Beifall geerntet. Die Einstiegsfrage: Kann Deutschland in puncto Datacenter dem globalen Trend folgen? Der Kommentar von Daunert hat sich auf die Stromversorgung für Rechenzentren, die nach Ansicht der Diskutanten auf wackeligen Füßen steht, bezogen.

In den USA gebe es höchste Ziele, was die Verbesserung der Stromverfügbarkeit angehe und zwar mit straffem Zeitplan. Dort besitze AWS aber auch einen Teil eines Atomkraftwerks - eine Entwicklung, wie man sie sich auch für Deutschland vorstellen könne, so ein Einwurf, in einem anderen Plenum der Veranstaltung. Selbst in Spanien bewege man sich in dieser Hinsicht schneller, und das, obwohl dort Siesta groß geschrieben werde, sagt Daunert. Ganz gewiss ließe sich sein Kommentar auch auf den Ausbau der Wärmenetze, die die Datacenter-Abwärme aufnehmen könnten erweitern und die deutschen Genehmigungsprozesse.

„Klar, unsere Kunden sind amüsiert und erstaunt über die Anzahl der Behörden, Ämter und Gesetzesvorschriften“, berichtet Rechenzentrumsplaner Alexander Hauser, TTSP HWP. Diese bremsen. „Doch andererseits“, fügt er an, „machen alle diese Gesetzesgrundlagen das Business für sie sehr vorhersehbar“.

Dabei hat er vermutlich nicht direkt an die PUE-Vorgaben des Energie-Effizienzgesetzes gedacht, die zumindest auf der GDA-Veranstaltung so ziemlich jeden Teilnehmer auf der Bühne und im Publikum piesacken. Am liebsten hätte man die Vorgaben und jede Nutzungsklasse, auf jeden Größen und überhaupt möglichst individuell angepasst, was einem Gesetz zuwider liefe.

Einzige Ausnahme: Professor Adrian Altenburger von der Hochschule Luzern. Er sagt: „Ein solcher PUE-Wert ist nicht schwer zu erreichen. Ich habe Rechenzentren mit unter einem von 1,10 gesehen.“ Die Frage bleibt allerdings: Was passiert mit den Rechenzentren, die die neuen Vorgaben per EnEfG nicht erfüllen können? Werden sie abgeschaltet? Und rechtfertigt ein zu hoher PUE-Wert gar einen Neubau mit den CO2-Äquivalenten, die damit anfallen?

Gerechtfertigt scheint aber der Einwand, das sich das Verhältnis von IT und umgebender Technik, hauptsächlich für Stromversorgung und Kühlung verschiebe. Der Aufwand, den die Rechenzentrumsbetreiber nicht nur in Verfügbarkeit und Sicherheit stecken müssen, sondern auch in die Nachhaltigkeit, lässt den Facility-Apparat mächtig anschwellen. Zum Beispiel benötigen die Rechenzentren, die mit Wasser kühlen wollen, nicht nur das dafür notwendige Equipment, sondern auch noch welches für die luftgekühlten Systeme. Das braucht Platz, kostet und frisst unter Umständen die CO2-Ersparnis durch Energie-Effizienz wieder auf. Eine entsprechende Gegenrechnung fehlt jedoch.

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