Red Bull verliert WM-Spitze: Wie schlecht ist der RB20?

Red Bull verliert WM-Führung
Wie schlecht ist der RB20 wirklich?

GP Aserbaidschan 2024

Red Bull hat die WM-Führung an McLaren verloren. Doch die Maßnahmen am Unterboden scheinen zu wirken. Nach dem Crash zwischen Sainz und Perez gibt es auch noch Ersatzteil-Alarm.

Max Verstappen - GP Aserbaidschan 2024
Foto: Red Bull

Es passierte schneller als gedacht. McLaren hat Red Bull in der Konstrukteurs-WM überholt und führt nach Baku direkt mit 20 Punkten Vorsprung. Der Crash zwischen Sergio Perez und Carlos Sainz hat Red Bull 15 Punkte gekostet. Ohne den Unfall hätte der Titelverteidiger das Rennen in Baku zumindest als halben Erfolg verbuchen können.

Jetzt sind die Sorgen groß. Der Red Bull von Perez war ein halber Totalschaden. Natürlich ging auch der neu zusammengestellte Unterboden zu Bruch. Die Mannschaft in Milton Keynes arbeitet ohnehin schon am Anschlag, weil laufend neue Unterboden-Spezifikationen aus dem Hut gezaubert werden.

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Teamchef Christian Horner gab den Ernst der Lage zu: "Ersatzteile sind knapp. Wir werden daheim in der Fabrik fünf Tage durcharbeiten müssen, um die notwendigen Teile rechtzeitig bis Freitag nach Singapur zu bringen."

Max Verstappen - GP Aserbaidschan 2024
xpb

Verstappen kämpfte am Sonntag mit erhöhtem Reifenverschleiß und zu heißen Bremsen.

Problem begann 2023 in Barcelona

Trotzdem versuchte Horner, das Positive zu sehen. "Checo hatte bis zum Schluss die beiden Spitzenreiter vor sich. Obwohl er die ganze Zeit in verwirbelter Luft gefahren ist, haben die Reifen gehalten. Er fuhr auf Podestkurs, als ihn Sainz abgeschossen hat. Ein zweiter Platz lag drin, denn bei Leclerc waren die Hinterreifen total am Ende."

Der deutliche Formanstieg von Perez signalisierte Red Bull, dass die Eingriffe am Unterboden geholfen haben. Technikchef Pierre Waché ist optimistisch, dass die Pleite von Monza den Ingenieuren die Augen geöffnet hat, welche Bereiche im Unterboden die Instabilität hervorrufen, die die Fahrer so aus der Spur geworfen haben.

Dabei erzählt Horner eine interessante Geschichte: "Wir haben die Entwicklungsgeschichte zurückverfolgt und dabei hat sich herausgestellt, dass uns der erste Fehler schon mit einem Unterboden-Upgrade 2023 in Barcelona passiert ist. Das war auch der Grand Prix, ab dem Checo seine Probleme mit dem Auto bekam. Wir haben es nur nicht so ernst genommen, weil Max weiter gewonnen hat." Sportchef Helmut Marko ergänzt: "Richtig falsch abgebogen sind wir dann dieses Jahr in Imola."

Sergio Perez - GP Aserbaidschan 2024
Red Bull

Die Leistung von Sergio Perez gibt Red Bull Hoffnung. Der Mexikaner kämpfte bis zu seinem Crash um die Podiumsplätze.

Red Bull nervt das Newey-Thema

Die Ansage bei Red Bull in Baku lautete, Optimismus zu verbreiten. Die erfolgsverwöhnte Truppe wirkt mental angezählt, weil man es nicht gewohnt ist, Niederlagen erklären zu müssen. Das trifft insbesondere auf das Technikbüro zu, dem jetzt vorhalten wird, dass es nicht mehr läuft, seitdem Adrian Newey weg ist. Was natürlich Unsinn ist.

Der große Technik-Guru war noch da, als der RB20 konzipiert wurde und als er vier der ersten fünf Rennen gewann. Sein Anteil an der Konstruktion des Autos war angeblich relativ gering. Marko räumt ein, dass Newey sicher hin und wieder bei der Setup-Suche geholfen hätte, weil er wie kaum ein anderer die Aussagen der Fahrer lesen und in eine technische Sprache übersetzen kann.

Möglicherweise wäre er auch in Baku eine Hilfe gewesen. So gut wie sich Sergio Perez präsentiert hat, so weit weg war Max Verstappen von seiner Normalform entfernt. Als er am Samstag sein Auto wieder mal kritisierte, kam das im Team nicht besonders gut an. Mit dem Resultat, dass sich der Weltmeister in seinem Kommentar nach dem Rennen mäßigte.

Max Verstappen - GP Aserbaidschan 2024
Red Bull

Max Verstappen beklagt, dass der RB20 sehr kritisch auf Setup-Änderungen reagiert. Und jetzt kommt auch noch die Angststrecke in Singapur.

Auto auf Messers Schneide

Die Story von Verstappen in Baku zeigt, dass bei Red Bull noch lange nicht alle Probleme gelöst sind. Der RB20 ist ein Auto auf Messers Schneide. Es ist unheimlich schwer, ihn so abzustimmen, so dass die Balance passt und die Reifen im optimalen Fenster liegen. Verstappens Red Bull war minimal anders eingestellt als der von Perez, doch das hat einen riesigen Unterschied auf der Strecke ausgemacht. "Max hat die Reifen im Verkehr viel schneller abgenutzt als Checo", wunderte sich Horner. Normalerweise ist es umgekehrt.

Perez hatte auf seinen Heckflügel einen kleinen Gurney-Flap montieren lassen, der ein bisschen mehr Abtrieb brachte und auf der Zielgrade 3 km/h Topspeed kostete. Und er war auf der Hinterachse eine Spur weicher unterwegs. Verstappen beklagte sich schon in der Qualifikation über ein Auto, das ab dem Scheitelpunkt der Kurven untersteuert und mit dem Heck springt. Das konnte zum Rennen hin nicht behoben werden, weil man an den entsprechenden Stellen im Parc fermé nichts ändern darf.

Der Niederländer erzählte, wie es dazu kam. Am Freitag war er mit seinem Auto noch zufrieden. "Alle Setup-Änderungen, die wir vornahmen, gingen zunächst in die richtige Richtung. Vor der Qualifikation sind wir noch einen Schritt weitergegangen. Das war aber ein Schritt zu viel. Für dieses Risiko haben wir einen Preis bezahlt. Als wir herausfanden, wo der Fehler lag, war es zu spät." Dann noch eine Kampfansage an alle, die McLaren schon als Weltmeister sehen: "Wir gewinnen und verlieren als Team. Der Kampf um den Titel ist noch nicht verloren."