Eine schwierige Geschichte wird das heute. Seit ein paar Tagen wälze ich sie schon im Kopf, betrachte sie von allen Seiten und versuche, sie aus verschiedenen Blickwinkeln zu sehen. Ich habe zugesagt, dass ich sie schreibe, anfangs war sie für mich ein eindeutiger Fall, das ist sie jetzt nicht mehr. Es ist eine Geschichte, die mir Unbehagen bereitet.
Ich muss da weiter ausholen. Zumal ich mir geschworen habe, diesen meinen Blog frei von Werbung positiver als auch negativer Natur zu halten. Firmennamen kommen hier nicht vor, es sei denn, es geht um Wolle, und das bitte ich auch die Damen und Herren zur Kenntnis zu nehmen, die mir immer wieder großartige Werbevertragspartnerschaften in Aussicht stellen. Dieser Blog ist werbefreie Zone.
Mo (lesenswerter Blog) hat vor ein paar Tagen die Frage gestellt: Was wurde eigentlich aus...? Und dann ereilte mich ihre Botschaft: Schreib doch auch darüber.
Viele werden sich noch erinnern, es ist nicht ganz zwei Monate her, da wurden einige Verkäufer bei Dawanda abgemahnt, weil sie einige ihrer Produkte mit Abbildungen von Pfoten verziert hatten. Diese Abmahnungen, begleitet von Geldforderungen und der Aufforderung, die beanstandeten Produkte nicht weiter zu verkaufen, gingen aus von einer namhaften Firma, die als Firmenlogo eine Wolfstatze hat. Das war damals eine große Aufregung, in jedem zweiten Blog, den ich besucht habe, war darüber zu lesen. Bei manchen habe ich meinen Senf in Form von Kommentaren dazugegeben, bei manchen nicht, es waren mir einfach zu viele, um allen meine damalige Sicht der Dinge mitzuteilen, die kurzgefasst so lautete: Die namhafte Firma hat keine Chance, die kommen damit nicht durch.
Ich bin nun in den letzten Tagen der Sache nachgegangen. Was wurde aus...? Das ist schnell erzählt. Die Tatzenfirma hat, soweit ich das feststellen konnte, die eingelangten Beträge zurückgezahlt, Gegenstände mit Pfotenabbildungen dürfen auch weiterhin nicht bei Dawanda verkauft werden.
Ich stelle mir nun einmal vor, ich stricke einen Pullover, verziere ihn, weil mir das so gut gefällt, mit einer Pfote, und gebe ihn zum Verkauf frei. Mit der Tatzenfirma habe ich mich bis zu diesem Zeitpunkt nicht beschäftigt, tatsächlich war es mir neu, dass die ein solches Logo verwenden, hat mich nie interessiert, ich habe also keine Ahnung, dass das ein geschütztes Logo ist. Nach einiger Zeit kommt Post vom Anwalt, der einen Geldbetrag von mir fordert und mir klarmacht, dass ich meinen Pullover nicht verkaufen darf. Natürlich falle ich aus allen Wolken, wettere gegen die Firma, die das veranlasst hat, erzähle die Geschichte vielleicht auch weiter. Wenn die Firma dann aus irgendwelchen Gründen auf ihren Geldbetrag verzichtet, wenn ich bloß meinen Pullover nicht weiter zum Verkauf anbiete, bin ich wahrscheinlich froh, heil aus dieser Sache rauszukommen.
Auf der anderen Seite steht diese Firma. Sie hat jemanden damit beauftragt, ein unverwechselbares Logo zu entwerfen, hat diesem Designer Geld dafür bezahlt, hat auch Geld dafür bezahlt, dieses Logo schützen zu lassen und pocht darauf, dass das auch eingehalten wird. Zu diesem Zweck beschäftigt die Firma Anwälte, die ihre Arbeitszeit damit verbringen, nach Produkten Ausschau zu halten, die widerrechtlich mit dieser Pfote gekennzeichnet sind, weil das Logo, wenn es von anderen Personen auch verwendet wird, nicht mehr unverwechselbar ist. Widerrechtlich deshalb, weil das Logo tatsächlich durch das Markenschutzrecht geschützt ist, ein sehr eindeutiger Fall. Wäre ich Anwalt dieser Firma, hätte ich die Wahl, mir entweder einen anderen Job zu suchen oder genau gleich zu handeln.
Ich könnte zum Beispiel auf die Idee kommen, eine Imbissbude zu eröffnen und diese mit einem großen geschwungenen M zu zieren. Ich könnte sogar behaupten, das M steht für Margot, das würde mir nichts nützen, ich würde innerhalb kurzer Zeit vermutlich Besuch von Vertretern einer namhaften amerikanischen Schnellimbisskette bekommen, die mir unangenehme Neuigkeiten unterbreiten würden. So ähnlich erscheint mir die Sache mit den Tatzen. Wobei ich sagen muss, dass ich die beanstandeten Gegenstände nie gesehen habe. Hat sie jemand gesehen? Es tauchte die Behauptung auf, es wären auch Katzenpfoten darunter gewesen, Hundepfoten. Das wäre dann wieder ein völlig anderer Fall. Angenommen, ich stricke einen Pullover und verziere ihn mit einer Katzenpfote, und dann kommt ein Anwalt dieser Firma, ich denke, ich würde es drauf ankommen lassen und nicht zahlen. Sollen sie es von mir aus einklagen, dann wird wenigstens vor Gericht festgestellt, dass eine Katzenpfote keine Wolfspfote ist. Dann wären sämtliche Unklarheiten beseitigt.
Soweit diese Geschichte, wie sie sich mir darstellt. Ich habe mir aber auch die Frage gestellt, was denn nun eigentlich diese große Empörung ausgelöst hat. Dazu sind mir zwei Gründe eingefallen. Erstens einmal ist es ein klassischer Fall von David gegen Goliath. Eine solche Konstellation löst reflexartig ein Eingreifen für die schwächere Partei aus. Da sind auf der einen Seite die kleinen Dawandaverkäufer, die sich mit ihren selbstgefertigten Sachen ein bisschen etwas verdienen wollen, auf der anderen Seite die große Firma, die mit geballter Macht sämtliche Versuche, und seien sie noch so unbeabsichtigt, ihr Logo widerrechtlich zu verwenden, abschmettert. Man hält zu den Kleinen und hofft, dass die Sache gut für sie ausgeht.
Der zweite Grund ist komplizierter. Da bin ich zu keinem für mich endgültigen Schluss gekommen. Da geht es darum, was man eigentlich für Geld alles kaufen kann. Man kann die Abbildung einer Pfote kaufen, und dann darf sie niemand sonst mehr verwenden. Man kann die Abbildung eines Krokodils kaufen, und niemand sonst darf sie mehr verwenden. Irgendwann kommt jemand auf die Idee, die Abbildung des Fujijama für sich zu reklamieren, und beraubt damit sämtliche japanischen Landschaftsmaler ihrer Existenzgrundlage, weil sie dieses Bild nicht mehr verwenden dürfen. Irgendwann ist alles gekauft, und man darf gar nichts mehr. Mit dem Markenschutzrecht verwandt sind auch das Patentrecht und das Urheberrecht. Es ist schon vorgekommen, dass sich eine amerikanische Firma den Basmatireis patentieren lassen wollte, was unschätzbare Folgen für sämtliche indischen und pakistanischen Reisbauern gehabt hätte. Eine andere Firma wollte bei uns in der Gegend Trinkwasserquellen kaufen. In anderen Gegenden dieser Welt ist das schon ganz normal. Welche Dinge sind käuflich, welche nicht? Das ist die Frage, die bei mir sehr großes Unbehagen auslöst und die ich mir gestellt habe, als ich mich mit diesem Pfotenfall beschäftigt habe. Kann man mit Geld alles kaufen? Die Tatzenfirma dient hier nur als Beispiel, sie muss hier herhalten, weil sie eben gerade da war. Genausogut hätte ich über die Schokoladeeierfirma oder sonst irgendeine Firma schreiben können. Beispiele lassen sich sicher viele finden.