Montag, 10. September 2018

Welten, Andere

Es gibt für mich Autoren, deren Schreiben mich in ihre Welt hineinziehen. Sie sind lebendig, warm und farbig, man kann sie riechen, schmecken und man hört sie auch.
In ihnen gewinnen Kleider eine Haptik, Straßenlärm schwillt an und ab, und wenn man genau hinsieht, krabbelt da vorn eine Ameise über den Schuh.
Eine solche Autorin ist (für mich) Laurie R. King, die die Krimis der Mary-Russell-Reihe schreibt, sowie noch eine zeitgenössisch angesiedelte, deren Handlungsschwerpunkt in San Francisco liegt, außerdem einzelne Stand alones.
Natürlich gibts auch unter diesen sehr geliebten Büchern noch die Lieblingsstücke, The Folly, Oh Jerusalem, The Game und A Grave Talent. Auch auf Deutsch sehr, sehr lesenswert (Insel der flüsternden Stimmen, Oh Jerusalem, Die Farben des Todes- ich bin mir nicht sicher, ob The Game auf Deutsch erschienen ist).
Ansonsten hab ich gerade nur schwere Kost auf dem Kindle. Die dreiteilige Wilhelm II-Biografie von Röhl, und Churchills Erinnerungen an den 2. Weltkrieg, massive fünf Bände. Aber zum Glück gibts die E-Book-Version. Dann sind die Verletzungen nicht so schlimm, die man davon trägt, wenn einem beim Einschlafen das Buch auf die Nase fällt.
Und ihr so?

Menschheit

Ich gehöre auch zu denen, die die Menschheit als ein komplexes Kollektivwesen betrachten, ganz unwillkürlich und vielleicht schon aus semantischen Gründen.
Heute morgen hat irgendeine Schlagzeile in irgendeiner Zeitung der passend auf mich zugeschnittenen Presseauswahl (Danke, Google und Opera, für meine Lieblingsfilterblase) sich was von "Menschheit" und "Lernen" in den Bart gebrummelt.
Ich glaube, dass da was von der Erkenntnis stand, dass die Menschheit nicht lernt.
Und so ungern ich das zugebe:
Das tut sie nicht.
Niemals.
Denn das würde bedeuten, dass Wissen in irgendeiner Weise in den Zwischenräumen zwischen dir und mir verankert würde.
Erlerntes sich an die DNA heften könnte.
Begangene Fehler und daraus gewonnene Erkenntnis in eine kollektive Cloud wanderten, auf die man qua Zugehörigkeit zur Spezies Homo sapiens sapiens automatisch Zugriff hat.

Wie derzeit ausgezeichnet und beinahe lehrbuchhaft demonstriert, speichert die Menschheit als amorphes Dingsda genau nichts. Jede Generation fängt ganz von vorn an. Und das, was das Individuum zur Kenntnis nimmt, speichert, verarbeitet und anwendet ist genau das: Individuell. Begrenzt. Teilweise sehr begrenzt.

Wie man sieht.

Donnerstag, 6. September 2018

Donnerstag-

und wenn du den überlebt hast, wird es Freitag. Ganz bestimmt.
Der Freitag in dieser unserer Dienststelle ist nur ein halber Arbeitstag, und das schätzen wir alle. Unser neuer Chef, noch ziemlich überschwemmt von allem, was der vorherige Boss vor seinem Tod nicht mehr erledigen konnte (und was in der Zeit seiner Krankheit ohnehin liegen geblieben ist) ist im Stress, und ich hoffe für ihn, dass er schnell delegiert und nur noch die Ausicht behält. Der sitzt hier nämlich gern auch freitags noch abends um sieben. Also, "gern" ist hier ein sehr willkürlich gewählter Ausdruck. Aber es ist ihm wichtig, seine Sachen fertig zu kriegen, und ich schätze, dann stimmt "gern", denn anschließend ist es hoffentlich weg vom Tisch.

Wenn jemand, der so jung ist wie der verstorbene Chef (63), von jetzt auf gleich einfach nicht mehr da ist, nutzt die Umwelt das ja gern, um darüber zu philosophieren, was man alles tun/unterlassen/bedenken sollte bei der Organisation des eigenen Alltags.
Wir haben in den vergangenen Monaten oft gehört, dass man davon lernen sollte, sich besser zu pflegen, und all den anderen Sermon, der dann quasi zwangsläufig aus anderen Leuten herausquillt.
Aber. Aber...
bei ihm muss man sagen, er hat Zeit seines Berufslebens immer genau das getan, was er wollte. Mit dem Kopf durch die Wand, nötigenfalls. Sein politisches Interesse und sein Gewissen sowie sein wissenschaftlicher Ansatz haben ihn umgetrieben, und er hat über dreißig Jahre lang an genau diesen Themen gearbeitet, ist an neuen Erkenntnissen gewachsen und hat an seine Mission geglaubt. Er hatte Tausende von Überstunden, die ihn nicht davon abhielten, weiter zu arbeiten, sein Urlaub verfiel und bei seinem Tod hatte er praktisch zwei Jahre vorgearbeitet. Selbst sein angeschlagener Gesundheitszustand seit einigen Jahren hat ihn nicht dauerhaft von den Selbstgedrehten weg gebracht, und so- und daran- ist er dann auch gestorben. Er hat vielleicht ein kürzeres Leben geführt als er hätte führen können, aber ich glaube nicht, dass er mit einem solchen zufriedener gewesen wäre.

Und das ist nicht schlecht, oder?


Montag, 3. September 2018

Ich binne nicht tot.

Guten Morgen, beste/ Leser/in von allen- heute im Singular, denn viele dürften hier definitiv nicht mehr mitlesen, dank Zeitablauf.

(Orrr, ich hatte mein Passwort verbröselt, soviel zum Thema IT-Skills.)

Nur diese irren Schlagzeilen über den Grabbelbischof bei Aretha Franklins Beerdigung haben mich ausreichend erzürnt, um diesem Dilemma die Stirn zu bieten.

Was ist passiert?
Vermutlich haben es alle gelesen oder auch die Videos gesehen, von dem Geistlichen, der erst einen mehr als daneben geratenen Witz erzählen will, und dann seine Griffel nicht von der jungen Frau neben ihm lassen kann. Das ist übel genug, und zeugt von einer gewissen Realitätsabweichung bei ihm, er sollte die Kameras registriert haben.
Was mich aber so richtig sauer macht, sind die Schlagzeilen selbst:
Bischof entschuldigt sich.
Bischof. Entschuldigt.Sich.
Lasst es euch auf der Zunge zergehen.
Bischof (Mann in Kleidern) entschuldigt (aktives Verb) sich (Reflexiv-Pronomen. Oder so.)
Es sollte gesetzlich verboten werden, das so zu formulieren. Denn selbst wenn das grammatikalisch korrekt ist, so ist es inhaltlich nicht okay.
Wenn jemand einen anderen so sichtbar belästigt und in Schreckstarre versetzt, dann hat er das Recht verloren, sich durch einen in den Bart gebrabbelten Satz (oder auch durch getwittertes Was-weiß-ich) aus der Verantwortung zu ziehen.
Liebes Publikum.
Vorgesehen ist, jemand anderen, den man geschädigt/belästigt/sonstwie beeinträchtigt hat, um Entschuldigung oder Verzeihung zu bitten. Jawohl, zu bitten.
Und es steht ausnahmslos im Ermessen der beleidigten, geschädigten, beeinträchtigten Person oder Institution, diese Entschuldigung zu akzeptieren oder zu gewähren.
Also bitte, liebe Schlagzeiler, staubt euer Deutsch ab. Denn die Formulierung "sich entschuldigen" geht echt nur, wenn jemand bei Tisch mal fix aufs Klo will.
Sonst nicht.