Charm

Charm

In kurzer Zeit hat sich Claire Cottrill zu einem der faszinierendsten Chamäleons der Popmusik entwickelt. Ihr Songwriting und sanfter Gesang tragen ihre unverkennbare Note, doch die Sängerin zeigt auch eine besondere kreative Unruhe. Nach dem Wechsel vom Lo-Fi-Schlafzimmerpop ihrer frühen Singles zum intensiven Indie-Rock der 2000er-Jahre auf „Immunity“ (2019) präsentierte sie auf „Sling“ (2021) zunächst einen Schwenk zum Folk. Auf ihrem dritten Album „Charm“ folgt nun barocker Kammerpop, inspiriert vom Soul der 70er-Jahre. „Es ist mir sehr wichtig, bei jedem Werk etwas Neues auszuprobieren und mich selbst herauszufordern“, sagte sie gegenüber Apple Music. „Es geht darum, meine Individualität oder vielleicht meine Weiblichkeit wiederzufinden, die ich verloren hatte.“ „Charm“ ist Cottrills drittes Studioalbum mit einem Producer von besonderer Ästhetik. Während bei „Immunity“ Rostam Batmanglij und bei „Sling“ Jack Antonoff an den Reglern standen, sind diese elf Songs von der Wärme des Studio-Impresarios und Sharon Jones & The Dap-Kings-Gründungsmitglieds Leon Michels geprägt. Michels unterstützt, zusammen mit Daptone-Kollegen und dem New Yorker Jazzmusiker Marco Benevento, perfekt Cottrills wehmütige und wunderschön taumelnde Songkunst. „Die Begegnung mit Leon Michels hat mein Leben verändert“, sagt Cottrill. „Es passierte aus einer Lebenserfahrung heraus und nicht, weil ich jemanden suchte. Ich war ein großer Fan und stellte fest, dass wir nahe beieinander wohnten. Also fuhr ich rüber, und wir machten Musik. Es fühlte sich nicht geplant oder erzwungen an. Es war frisch und neu, und es hat sich gelohnt.“ Auf „Charm“ flattern Holzbläser über die weichen Synth-Pads von „Slow Dance“, während der Soul von „Juna“ sich zu kleinen psychedelischen Schnörkeln hochschaukelt. Und dann ist da noch „Echo“, mit einem elektroakustischen Brummen, das an das legendäre britische Duo Broadcast erinnert. „[‚Echo‘] war einer der letzten Songs, die für das Album entstanden“, sagt Cottrill. „Für mich ist er eine düstere und stimmungsvolle Version der Verliebtheit, aber er klingt sehr gruselig. Ich bin es nicht gewohnt, dass es in meinen Liedern gruselig zugeht.“ Im Mittelpunkt steht Cottrills unglaublich intimer Gesang, der das Thema von „Charm“ – die Sehnsucht nach Verlangen inmitten von Ungewissheit – perfekt einfängt. Lies weiter, um von Clairo acht weitere interessante Fakten über „Charm“ zu erfahren. Clairo wollte die „Grauzone“ erkunden, in der man von einer Person verzaubert wird. Ich mochte die Idee der Grauzone und die Begeisterung, die zwei Menschen empfinden können, wenn sie voneinander angetan sind. Denn das passiert normalerweise, bevor sie sich wirklich kennen. Es ist wie eine Verliebtheit, und ich wollte, dass sich das Album in dieser Grauzone abspielt und ich den Rest der Geschichte erfinde, egal, ob sie nun gut oder schlecht ist. Auf diesem Album geht es aber auch um die Künstler:innen, die sie schon immer fasziniert haben. Ich fühlte mich mit Künstler:innen verbunden, die mich auf besondere Weise faszinierten – Harry Nilsson, Margo Guryan, Blossom Dearie und Peggy Lee, sogar Suzanne Vega. Sie alle haben etwas unglaublich Geheimnisvolles an sich, sind fantastisch im Songwriting und nehmen sich gleichzeitig nicht zu ernst. Alle ihre Stimmen haben etwas Sinnliches an sich, aber es ist sehr dezent. Das ist so verführerisch, dass ich mehr über diese Person erfahren möchte. Und dann ist da noch „Smiley Smile“ von den Beach Boys. Ich liebe diese Platte – es macht wirklich Spaß und ist erfrischend, zu hören, wie Bands, die so einen riesigen Katalog haben und als einige der besten Songwriter:innen der Welt bekannt sind, etwas Albernes machen. Es ist genial. Nach dem „ernsten“ Album „Sling“ musste einfach etwas anderes kommen. Ich habe schon eine Weile mit der Idee eines solchen Albums gespielt, vor allem weil „Sling“ so ernst war und sich so sehr auf das häusliche Leben und die Entschleunigung konzentrierte. Ich habe auch gemerkt, dass es für mich wichtig ist, über Sinnlichkeit zu schreiben oder meine Sinnlichkeit durch Musik zu erforschen, auch wenn die Lieder nicht sehr lustvoll sind. Ich hatte nie auf diese Weise geschrieben. Vielleicht hatte ich aber auch nie wirklich gedacht, dass das ein großer Teil meines Lebens ist, und mich nie wirklich damit verbunden. Bis ich merkte, dass es ein fehlendes Element einer ganzen Person ist. Jede:r sollte darüber sprechen. Es hat wirklich Spaß gemacht und war befreiend. Ich glaube, ich wollte einfach nur Spaß haben und mich amüsieren und Songs schreiben, die sich für mich sehr nach dem Jetzt anfühlen. Und sie brauchte Zeit, um an diesen Punkt zu kommen. Ich glaube, es sind fast drei Jahre seit „Sling“ vergangen. Und das war eine Menge Zeit, um das herauszufinden. Ich würde sogar behaupten, dass ich mir länger hätte Zeit nehmen können. Es hatte noch nie so lange gedauert. Ich war ausgebrannt. Ich war völlig ausgebrannt. Ich hatte nichts mehr zu geben, und jetzt habe ich das Gefühl, dass ich mich wieder aufbaue: mit Musik, auf die ich wirklich stolz bin, und mit einer völlig neuen Perspektive. Ich habe das Gefühl, dass ich der Person, die ich sein will, näherkomme und die Musik machen kann, die ich machen will. Außerdem versuche ich, den Rest so zu managen, dass ich nicht verrückt werde. Auf diesem Album traute sie sich, düsterer zu werden. Normalerweise begebe ich mich nicht an so düstere Orte. Obwohl ich den Eindruck habe, dass vielleicht ein paar meiner früheren Songs, als ich sie noch zur Highschool-Zeit ins Internet hochgeladen habe, etwas düster waren. Es ist jedenfalls schon lange her, dass ich das selbst gemacht habe, obwohl ich mir solche Sachen immer wieder anhöre. „Charm“ zeigt sie, wie sie jetzt ist – doch es lebt auch von der Erinnerung an ihre frühere Musik. Das Spannende an dem Album war, dass ich viel von meiner SoundCloud-Musik, von meinem Debüt und wohl auch von „Sling“ wieder aufgegriffen habe. Ich denke, ich wollte einfach auf alles zurückblicken, was ich gemacht habe, und versuchen, den roten Faden zu finden, der alle Songs zu meinen macht. Es hat ein wenig gedauert, bis ich ihn erkannte. Dazu zählten wohl einige der früheren Sachen, etwa die, die ich alleine gemacht hatte, oder die aus der Highschool-Zeit. Das ist ganz interessant, denn ich hätte nie gedacht, dass ich diese Musik so ernsthaft wieder aufgreifen würde. Aber es war ein wichtiger Teil von „Charm“, diesen Kreis für mich selbst zu schließen – also die Dinge wieder aufzugreifen, mit denen ich angefangen hatte. Sie fand es toll, dass ihre Eltern es dieses Mal nicht gleich mochten. Es war das erste Mal, dass meine Mutter etwas nicht sofort mochte, und ich fand das einen schönen Moment, in dem ich endlich etwas gemacht habe, das ihr nicht gefiel. Das hat echt etwas Gutes. Sie hat es nicht verstanden, und ich dachte: „Das ist gut so, denn jetzt mache ich endlich mal etwas anderes.“ Ich mache etwas, das sich nach mir anfühlt. Wenn ich es meinen Freund:innen zeige, sagen sie: „Mensch, das ist so typisch für dich“, und wenn ich es meinen Eltern vorspiele, sagen sie: „Ich weiß nicht, ob ich das verstehe, Claire.“ So sollte es auch sein. Und vielleicht hat sich meine Musik für sie nie rebellisch genug angefühlt, also ist das großartig. Als sie das Album live aufnahm, fühlte sie sich lockerer. Dieses Album war sehr performativ, denn jeder Song wurde komplett live aufgenommen. [Es war] wirklich cool, dass alle ihr eigenes Rädchen in diesem Song-Uhrwerk hatten und einfach das taten, was sie tun wollten – innerhalb dessen, wozu ich beitrug oder worüber wir sprachen. Zu sehen, wie eine Band meine Songs zum Leben erweckt oder wie sie sich etwas einfallen lässt, war unglaublich. Außerdem fühlte ich mich dadurch viel wohler und vielleicht auch ein wenig lockerer, da ich mir sagen konnte: „Ich werde jetzt Spaß haben und einfach schnell Texte schreiben und sehen, was dabei herauskommt.“ Bei einigen Liedern habe ich die Gesangsaufnahme beibehalten, bei der alle um mich herum auf der Couch saßen. Es war einfach die gefühlvollste Aufnahme. Vielleicht war es nicht die technisch beste, aber es war diejenige, auf die es ankam und bei der man den Eindruck hatte, im selben Raum zu sein.

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